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Medien: "Deutsche Kinemathek": Viele Feinde, wenige Förderer, ein Intrigant (Gastkommentar)

Die gelungene Eröffnung des Filmmuseums war für die Medienpolitik Berlins ein widersprüchlich-historischer Tag. Als am Potsdamer Platz die "Deutsche Kinemathek" hinter dem glanzvollen Titel in einem beeindruckenden öffentlichen Raum verschwand, verkündete der Senat gleichzeitig den "Verzicht" auf die Realisierung eines Museums für Radio und Fernsehen, das unter dem Titel "Deutsche Mediathek" fast genau so lange für den gleichen Ort geplant wurde.

Die gelungene Eröffnung des Filmmuseums war für die Medienpolitik Berlins ein widersprüchlich-historischer Tag. Als am Potsdamer Platz die "Deutsche Kinemathek" hinter dem glanzvollen Titel in einem beeindruckenden öffentlichen Raum verschwand, verkündete der Senat gleichzeitig den "Verzicht" auf die Realisierung eines Museums für Radio und Fernsehen, das unter dem Titel "Deutsche Mediathek" fast genau so lange für den gleichen Ort geplant wurde. Hans Helmut Prinzler war an diesem Abend doppelt im Glück: Staatsminister Michael Naumann und Kultursenator Christoph Stölzl fanden stolze Worte, und ihm wurden zusätzlich 2900 Quadratmeter zugeteilt, genau jener Planungsraum, der für die Mediathek im Sony-Haus gedacht war.

Prinzlers Glück kam so unerwartet wie das Aus für die Mediathek, die von Anfang an die Pech-Marie der Berliner Medienpolitik war. Das hat erschreckende Gründe: Das 1986 in der Akademie der Künste von dem großen Fernsehfilm-Künstler Eberhard Fechner initiierte Konzept einer öffentlich zugänglichen TV-Programm-Galerie ressortierte zunächst und ganz falsch allein beim Kultursenator und hatte in der Berliner Regierung nie wirklich bekennende prominente Förderer. Während Prinzler von Anfang an seinen Traum vom Filmmuseum mit Bund und Land gemeinsam geplant und über die Verunsicherungen nach 1989 hinweg gesichert hat, haben die wechselnden Kultursenatoren ihren zögerlichen, vor allem aber medienpolitisch unzuständigen Referenten für das Fernseh-Museum nie klare politische Vorgaben gemacht. Im Gegenteil: im falschen Trenn-Verständnis der schwesterlichen Medien Film und Fernsehen, die im Film-Fernseh-Rahmenabkommen glänzend kooperieren, ist nie die Zusammenarbeit mit dem Filmreferat in der Bundesregierung gesucht worden. Fechner ist darüber verzweifelt. Aber erst nach seinem Tod 1992 ist durch eine beherzte medienpolitische Initiative des damaligen NRW-Wirtschaftsministers Wolfgang Clement, der dem Projekt 1993 in der Region Köln-Bonn endlich zum Leben verhelfen wollte, wacher Druck in Berlin entstanden. Clements Konzept einer staatlichen Gründungsförderung war mit dem Modell einer Trägergesellschaft aller Rundfunkveranstalter im dualen System, unterstützt von den Landesmedienanstalten, verbunden. Es hat lange gedauert, bis die aufgeschreckte Berliner Senatskanzlei diesen medienpolitischen Lösungsansatz ihrerseits mit potentiellen Trägern des Museums umzusetzen suchte. Versäumt hat sie in dieser Zeit, dem ermatteten "Verein der Freunde der Deutschen Mediathek", ihren Gründungsbeauftragten Helmut Drück und die Partner zielorientiert zur Weiterentwicklung und Erneuerung des inhaltlichen Konzepts zu drängen. Stattdessen hat sich der Senat wie der Verein von einem eigennützigen, gelegentlich auch intriganten Fachmann des Archivwesens auf der Nase herumtanzen lassen. Denn seit Beginn der neunziger Jahre hat Joachim Felix Leonhard (Deutsches Rundfunkarchiv) jede Gelegenheit genutzt, über die Köpfe der Archivare von ARD und ZDF hinweg und oft hinter dem Rücken des Mediathek-Vereins sein in Frankfurt und in Potsdam ansässiges Haus und die daran hängende Stiftung durch wilde Vernetzungsvorschläge vor Bedeutungsverlust zu schützen, ja sogar durch die Mediathek zu alimentieren. Selbst als 1999 durch das Engagement des Medien- und Wasser-Konzerns Vivendi der Stillstand des Projektes beendet schien, gelang es ihm, den für Archivfragen in der ARD zuständigen HR-Intendanten Klaus Berg in die entscheidende "Elefantenrunde" beim Regierenden Bürgermeister mit totengräberischen Papieren zu schicken. Schließlich hat er es vermocht, die vom Thema "Mediathek" ermüdeten ARD-Chefs kurz vor dem glücklichen Finale zu einem Nein zur Mit-Trägerschaft zu bewegen. Für Das Erste, das sich selbst das Fernsehen nennt, eine Blamage.

Wenn der Senat medienpolitisch das Gesetz des Handelns wieder an sich ziehen will, müsste er den Filmmuseums-Direktor Prinzler drängen, sein Glück auch als Verpflichtung zu verstehen, im Filmhaus ein publikumsträchtiges Konzept für die Wahrnehmungsgeschichte des Fernsehens zu erarbeiten. Wer anders als er könnte umgehend einen "Runden Tisch Radio/Fernseh-Museum Berlin" im Filmhaus zusammenzurufen, an dem der Kerngedanke der Mediathek in ein zeitgemäßes Ausstellungskonzept überführt werden müsste.

Martin Wiebel

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