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Medien: Deutschland sinkt

Volksmusik im Ersten, Volksmusik im Zweiten, Volksmusik ...

Ein Wutschrei. „Wer hat diesen Schwachsinn zu verantworten?“ Die Frage von Tagesspiegel-Leser Mike Z. muss an die Spitzen von ARD und ZDF weitergereicht werden. In voller Absicht haben sie das Fernsehprogramm am Samstagabend mit zeitgleich ausgestrahlter volkstümlicher Musik zugepflastert. Der ARD-Proband hieß „Deutschland singt“, die ZDF-Konkurrenz „Willkommen bei Carmen Nebel“. Das Zweite hat diese „hirnrissige Quotenjagerei“ (Mike Z.) gewonnen, mit 5,56 Millionen Zuschauern gegen 4,21 Millionen im Ersten.

ARD und ZDF wussten, was sie taten, und streiten nun erbittert darüber, wer Schuld hat am alternativlosen Programm zur besten Sendezeit. Carmen Nebel wechselte für einen gut dotierten Vierjahresvertrag von der ARD zum ZDF. Die „Sachbearbeiterin im Schunkelland“ („Sächsische Zeitung“) war im Zweiten sofort erfolgreich. Ihr erstes „Willkommen“ fesselte acht Millionen Zuschauer, was bei der sitzen gelassenen ARD, die zudem quotenschwach ins Fernsehjahr 2004 gestartet war, Panik und den Schrei nach Rache ausgelöst hat. Motto: Wir machen die Carmen fertig, und wenn wir uns dabei selber ruinieren.

Das ist hervorragend gelungen. Das Volksmusik-Publikum, das ZDF-Intendant Markus Schächter auf „acht bis neun Millionen Zuschauer“ schätzt, teilte sich am Samstag. Jetzt sind alle sauer: Die Sender, Carmen Nebel, die Fans des Tümlichen und all die Fernsehzuschauer, die zu Recht nicht verstehen wollen, warum sie ihre Gebühren für einen sinnlosen Sänger- und Senderwettstreit bezahlen müssen. Während in der ZDF-Musikshow die üblichen Verdächtigen aus der Szene zu der ihnen möglichen Hochform aufliefen, mussten bei der ARD unschuldige Chöre nebst den üblichen Solointerpreten die Hitparade der deutschen Volkslieder absingen. Heino war dann beim Zweiten und Stefanie Hertel beim Ersten zu Gast – umgekehrt hätte es auch funktioniert.

Dieses Fernsehformat ist überhaupt derart klein und kleinkariert, dass jede Verwechslung, jeder Austausch möglich ist. Gunther Emmerlich, die bärtige Schmalzstulle vom Ersten, und Carmen Nebel, die sich vor Dankbarkeit ihren Gästen gegenüber schier auflöst, sie schaukeln in ihren Moderationen das Prädikat „nett“ zu „supernett“ hinauf, sie haken sich von der ersten Sekunde beim Publikum unter, und sie belegen, übrigens nicht erst am Quotenkriegssamstag, dass stimmt, was viele schon immer gewusst haben: Bei der Volksmusik hört der Spaß auf.

Nun muss keiner einschalten, wie alles vor dem Fernseher so geschieht auch das Mitklatschen freiwillig. Ohnmacht stellt sich dann ein, wenn ein Klientel-Programm zum Unsinn verdoppelt wird. Ist es beruhigend oder bestürzend, dass die 6,7 Milliarden Euro, die ARD und ZDF jährlich an Gebühren einnehmen, sie nicht klüger machen als die Konkurrenz?

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