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Medien: Die Belagerer

Von Joachim Huber 17 Tote, Trauer, Entsetzen: In aller Welt ist Erfurt zum Synonym für eine schreckliche Bluttat geworden. Daran haben auch die Medien ihren Anteil, die seit vergangenem Freitag mit einem Großaufgebot an Journalisten über den Amoklauf, die Schüler des Gymnasiums und das Leid der Hinterbliebenen berichten.

Von Joachim Huber

17 Tote, Trauer, Entsetzen: In aller Welt ist Erfurt zum Synonym für eine schreckliche Bluttat geworden. Daran haben auch die Medien ihren Anteil, die seit vergangenem Freitag mit einem Großaufgebot an Journalisten über den Amoklauf, die Schüler des Gymnasiums und das Leid der Hinterbliebenen berichten. Viele Betroffene fühlen sich jedoch inzwischen „von Kameraobjektiven verfolgt, von Mikrofonen genötigt“. Die „Thüringer Allgemeine“ klagt, dass bestimmte Sender „selbst Traueranzeigen in dieser Zeitung gefaxt haben wollten. Nicht, um zu kondolieren. Sondern um schneller die Adressen der Hinterbliebenen rauszukriegen.“

Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel sagte, von Erfurt gehe das Signal aus, „dass hier ein furchtbares Verbrechen geschehen ist“. Das ist für ihn aber nur die halbe Wahrheit: „Für mich ist die Botschaft von Erfurt auch, Menschen wollen Solidarität, sie wollen, dass man zusammensteht.“

Genau darin sieht aber auch ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender eine Leistung seines Fernsehsenders. „Erfurt ist in seiner Solidarität über die informierende Berichterstattung unterstützt worden.“ Das ZDF habe in seinen „journalistischen Formaten“ wie den „heute“-Nachrichten und den „Spezial“-Sendungen die Äußerungen der Bevölkerung und der Politiker transportiert. „An Homestorys und Soaps waren unsere Journalisten nicht interessiert“, sagte Brender dem Tagesspiegel am Mittwoch. Die befragten und ins Bild genommenen Menschen in Erfurt seien immer gefragt worden, „ob sie mit Aufnahmen einverstanden sind“. Das ZDF hat nach Meinung von Nikolaus Brender viel, aber nicht zu viel berichtet. Der Sender hatte die vier Journalisten seines Studios in Erfurt um vier weitere Kollegen aus Mainz verstärkt.

Allerdings, so die Beobachtung des ZDF-Chefredakteurs, hätte sich das Verhälnis zwischen der Bevölkerung und den Medien in den letzten Tagen verändert. „Am Anfang sind die Menschen auf uns zugekommen, sie wollten über das Geschehen reden. Jetzt ist zu spüren, wie sie sich zurückziehen.“ Es setze ein tieferes Begreifen ein, das „wir zu respektieren haben“. Die Augenzeugen und Betroffenen des Amoklaufes seien zugleich auch die „emotionalen Opfer dieser Tat“. Das ZDF wolle sich entsprechend verhalten und habe für die „Reportage“ am Freitag auf das Thema Erfurt verzichtet: „Auch deswegen, weil wir in der Gefahr sind, uns zu wiederholen“, sagte Brender.

Aufruf zum TV-Boykott

Die Kritik am Fernsehen, speziell am Programm der deutschen Privatsender, hat sich unterdessen weiter verschärft. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse fordert in der „Leipziger Volkszeitung“ einen Boykott von Gewalt verherrlichenden Sendungen im Fernsehen. Es mache die Gesellschaft krank und sei auf Dauer nicht hinzunehmen, wenn Gewalt der wichtigste Gegenstand der allabendlichen Fernseh-Unterhaltung sei. Durch einfaches Abschalten könnte gerade bei privaten Sendern viel bewirkt werden. „Wenn die Quote sinkt, fehlt die Werbung. So kann man auch Gewalt im Fernsehen eingrenzen. Man muss es zumindest versuchen“, sagte Thierse.

RTL hat am Mittwoch empört reagiert. „Es gibt keinen einzigen Fall, in dem RTL Gewalt verherrlichende Filme ausgestrahlt hat“, erklärte Senderchef Gerhard Zeiler. Er wies damit insbesondere Vorwürfe von Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel zurück. Der SPD-Politiker hatte in einem ZDF-Interview kritisiert, dass die Sender Jugendlichen als Mittel der Konfliktlösung nur Gewaltanwendung anböten. Nach Zeilers Ansicht ist es „ unerträglich, „dass ein Ministerpräsident öffentlich solche nachweislich falschen Behauptungen aufstellt“. Zeiler kritisierte auch andere Aussagen Gabriels: „So hemmungslos und undifferenziert, wie die privaten Sender beschimpft werden, so pauschal werden die Schützenvereine von jeglicher Verantwortung freigesprochen.“ Der RTL-Chef warf dem Ministerpräsidenten vor, als Lobbyist der Sportschützen aufzutreten. „Seine Neigung dokumentiert er ja mit seiner Mitgliedschaft in Schützenvereinen.“

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