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Medien: Die Betrogene

„Das zweite Leben“ ist ein bemerkenswerter ARD-Film für Rosemarie Fendel zum 80. Geburtstag

Es trifft sie wie der Schlag aus heiterem Himmel. Von jetzt auf gleich ist alles anders im sonst so geordneten, harmonischen und soliden Leben der Anne Kreutzer (Rosemarie Fendel). Mit ihrem Mann, dem Juraprofessor Alfred Kreutzer (Hans-Michael Rehberg), der in Straßburg für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte arbeitet, hat sie 50 Ehejahre hinter sich und nunmehr die Goldene Hochzeit vor sich. Sie sitzen mit ihrer Tochter Gabi (Suzanne von Borsody) im Wohnzimmer des großzügigen Würzburger Hauses und suchen Motive für die Einladung aus. Ein Familienidyll, so scheint es. Als Anne und Alfred später am Kanal spazieren gehen, sieht Alfred, wie ein Hund gerade im Fluss ertrinkt. Er springt ins Wasser, rettet den Hund, winkt Anne aus dem Wasser zu. Dann gleitet er zurück. Anne muss zusehen, wie der leblose Körper ihres Mannes flussabwärts treibt. Ein Herzschlag.

Mit dem Tod von Alfred ist in Annes Leben nichts mehr so, wie es einmal war. Das Finanzamt fordert 200 000 Euro Steuernachzahlung. Und das Haus ist mit Hypotheken belastet. Alfreds Bruder Robert Kreutzer (Gottfried John) versucht, Licht ins finanzielle Dunkel zu bringen. Da sind diese regelmäßigen Überweisungen nach Straßburg. Ein Notgroschen, denken alle. Wie schön, der gute anständige Herr Professor hat vorgesorgt für schlechte Zeiten.

Anne fährt nach Straßburg, wo sie damit konfrontiert wird, dass die Überweisungen ihres Mannes an eine Frau gingen, an Leyla (Proschat Madani) und deren Sohn Rachid (Nicolás Solar Lozier). Und der 20-Jährige sieht genauso aus, wie Alfred damals, vor so vielen Jahren. Anne Kreutzer steht vor einem Scherbenhaufen …

„Das zweite Leben“ – jenes, das Alfred Kreutzer führte, und jenes, das Anne Kreutzer nun beginnt – ist ein Film für und mit Rosemarie Fendel, die heute ihren 80. Geburtstag begeht.

Zum zweiten Mal stand die Schauspielerin hier mit ihrer Tochter Suzanne von Borsody gemeinsam vor der Kamera, und wie zuvor schon bei „Mensch Mutter“ (2004) hat Florian Gärtner auch diesmal wieder das Drehbuch (zusammen mit Elke Rößler) geschrieben und Regie geführt. Herausgekommen ist ein bewegendes, einfühlsames Porträt einer Frau, die an Dinge geglaubt hat, die in realitas nicht so waren, wie sie schienen. Einer Frau, deren Stärke es vielleicht ist, auch Schwäche zeigen zu können. Die sich mit all diesen enttäuschenden Tatsachen konfrontiert und sie dann schließlich akzeptiert. Oft sitzt sie allein auf irgendeinem Stuhl, hilflos, leise und von großer Traurigkeit. Nur einmal, da schmeißt sie eine Teetasse gegen das verglaste Bild des Gatten.

Rosemarie Fendel spielt das alles ohne falsches Pathos und ohne jedwede Klischees. Völlig geerdet. Unprätentiös. Alles ist auch behutsam inszeniert, ohne Überhöhung und hat hierdurch etwas sehr Lebensnahes, etwas sehr Authentisches.

Ganz am Ende des Films steht Anne Kreuzer in der Wüste. In ihrer Sahara. Inmitten der Wüstendünen, von denen sie ihr Leben lang geträumt hat. Sie streckt die Arme aus. Diesmal hat sie nicht Nein gesagt oder etwas anderes nicht getan. Sie habe so viel in ihrem Leben gelassen, wie sie einmal meint. Diesmal hat sie Ja gesagt, etwas nicht einfach gelassen, sondern es getan. Sie hat sich ihren Lebenstraum erfüllt. Anne Kreuzer ist angekommen. In der Wüste. Und bei sich. Man möchte weinen bei diesem Schlussbild.

„Das zweite Leben“, ARD, 20 Uhr 15

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