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Medien: Die Bürde des Genies

Im Ersten wird an Mozarts Reisen nach München erinnert

Es gilt, einem Genie zu huldigen. Das ist von vorneherein eine Bürde, eine allzu schwere Last. Es ist das Mozart-Jubel-Jahr 2006. Mozart hier, Mozart da – Mozart allenthalben. Wie jemandem filmisch neu beikommen, über den es Kinofilme etwa von Milos Forman gibt („Amadeus“, 1984), über den ohnehin Abhandlungen über Abhandlungen verfasst wurden, ganze Bibliotheken füllend. Wie den verrückten, der Welt abhanden gekommenen Genius bei den Hörnern packen und in die formatierte Sendezeit von 90 Minuten stecken? Ihn ARD-Primetime-kompatibel behandeln, für ein großes, breites Publikum. Eine eher ambivalente denn dankenswerte Aufgabe, der sich zunächst Drehbuchautor Benedikt Röskau („Das Wunder von Lengede“), dann Regisseur Bernd Fischerauer („Im Namen des Herrn“) stellten. Und, in Fischerauers Inszenierung schließlich, Mozart-Darsteller Xaver Hutter („Klimt“). Vielleicht hatte es letzterer am schwersten. In die Fußstapfen von Formans Mozart-Akteur Tom Hulce kann man nicht treten, nein, sollte man nicht treten. Die elektrisiert-nervöse Aufgeladenheit von Hulce gerät bei Hutter zum mitunter angestrengten Chargieren.

Ohnehin sind Vergleiche eigentlich nicht gut, zumal, in „Amadeus“ sind es Mozarts letzte zehn Lebensjahre, die erzählt werden, hier, in dem neuen Fernsehfilm „Mozart – Ich hätte München Ehre gemacht“, sind es die acht München-Besuche des arbeitssuchenden Wunderknaben und das viele Hin- und Her-Gereise mit dem Herrn Vater, die 22-stündigen Postkutschenfahrten zwischen München und Salzburg, und auch Wien.

Mozart bewirbt sich in München als Hofkapellmeister, um der einengenden Konvention unter dem Salzburger Fürsterzbischof Graf Colloredo zu entfleuchen, und hat in der bayerischen Metropole später zwei Uraufführungen, von „Idomeneo“ und „La finta giardiniera“ („Die Gärtnerin aus Liebe“). Doch die Verrücktheit, die Entrücktheit des mit Salieri rivalisierenden Amadeus bei Forman, sie hat man geglaubt, sie kam authentisch-historisch an, sie wurde unprätentiös interpretiert. All das Kostümierte, das Prunkvolle, das Elegisch-Epische – all das war außen stimmig und innen stringent.

In „Mozart – Ich hätte München Ehre gemacht“ ist es störend, bleibt es beim Äußerlichen. Bei der Maskerade. Bei den Kostümen, die keine Biographien schmücken. Beim Versuch, in opulenten Bildern zu schwelgen (Kamera: Markus Fraunholz). Es teilt sich hier nichts mit. Die 90 Fernsehfilmminuten werden konventionell inszeniert, ohne dass man das Gefühl hat, die Inszenierung entlocke den Schauspielern – darunter Alexander Held als streng-versteinerter Leopold Mozart, Hans-Michael Rehberg als frivoler Münchner Hofintendant Graf Seeau oder Konstantin Wecker als Wirt Franz Albert – etwas Wirkliches, etwas Greifbares, etwas sich dem Zuschauer Vermittelndes, ihn emotional Berührendes. Etwas Lebendiges. Nein, die Bilder bleiben kühl trotz vielen Kerzenscheins, bleiben unnahbar trotz vieler Close Ups. Es vermittelt sich kein gelebtes Leben. Kein Sein. Stattdessen: Gediegene Langeweile. Das ist, angesichts des deutlich sichtbaren Aufwandes, der betrieben wurde – gedreht wurde etwa im Antiquarium der Münchner Residenz, die Rokoko-Roben stammen aus Wien und Madrid – nur allzu schade. Bleibt die Frage, ob man den München-Mozart nicht besser hätte ruhen lassen sollen. Oder aber, wenn schon, dann doch anders anpacken, das Genie. Nur wie? „Vergesst Mozart“ heißt übrigens eine andere filmische Hommage von 1985…

„Mozart – Ich hätte München Ehre gemacht“: ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15

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