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Neue Gesten. Das hätte man sich in den zwanziger Jahren in „Die Dame“ nicht getraut. Heute gehören solche Modefotos in jedes progressive Magazin.

© ASV

"Die Dame" kommt wieder: Lesen, nicht gucken

Springer-Verlag bringt alten Ullstein-Titel zurück: „Die Dame“ kommt als Hybrid aus Katalog, Buch und Zeitschrift daher

Dieses Magazin liegt schwer in der Hand, dreihundert Seiten auf dickem, mal glänzendem, mal matten Papier und 15 Euro teuer. „Die Dame“ ist ein Hybrid zwischen Katalog, Buch und Zeitschrift und soll „superanalog“ funktionieren, ganz und gar. Eine Internetstrategie gibt es noch nicht, was ja ganz passend für ein Heft ist, das zuletzt 1943 erschien. Aber auch wenn auf dem neuen Titel als Gründungsdatum 1912 angegeben ist, soll es hier nicht um die Weiterführung des wohl elitärsten Modehefts der zwanziger Jahre gehen. Der Auftrag vom Medienhaus Axel Springer war, „das Ding neu zu erfinden“, wie Herausgeber Christian Boros sagt.

Deshalb haben er und die Redaktionsleiterin Lena Bergmann auch lange nur nachgedacht. Darüber, wie denn heute ein Heft aussehen würde, das die moderne Frau zeigt, das den Zeitgeist des heutigen Berlins einfängt. Boros interessiert Retro überhaupt nicht und mit Magazinen hat er bisher auch nichts zu tun. Er ist Kunstsammler und in dieser Funktion hat er sich sichtbar eingebracht. Die Künstlerin Oda Jaune illustrierte eine Kurzgeschichte, Thomas Ruff gestaltete das sperrige Titelbild, das ganz ohne Yogatipps auskommt. Und Martin Eder hat als „Augenfutter“ einen Softporno aquarelliert.

Magda Goebbels hasste das verdorbene Frauenbild

Zwischen der ersten Nummer des Jahres 2017 und der letzten liegen 74 Jahre – oder eigentlich 80, denn schon 1937 übernahm der Verlag „Deutsche Frau“ den Titel, nachdem die Ullsteins enteignet worden waren. Damals mussten die meisten Mitarbeiter, viele von ihnen waren jüdisch, gehen. „Die Dame“ war den Nazis schon lange suspekt. Magda Goebbels soll Woche für Woche getobt haben über dieses verdorbene Frauenbild. Die im Magazin vorgestellte moderne Frau hatte vier Erkennungsmerkmale: schlank und rauchend, selbst fahrend und kurzhaarig.

Jedes der alten Hefte hat Boros durchgeblättert, das Archiv hat Springer beim Kauf des Ullstein-Verlages übernommen. Besonders haben ihm die Berichte über die Möpse gefallen, deshalb hat er auch eine Expertin für diese Tiere den Rückblick schreiben lassen. Wenn das Heft am 2. März herauskommt, für 2017 ist noch eine zweite Ausgabe geplant, liegt ihm in einer Sonderedition auch eine faksimilierte Originalausgabe von 1929 bei, eine gute Gelegenheit, die Hefte zu vergleichen.

Alles was das Heft der zwanziger Jahre an Tempo hatte, ist im aktuellen in Langsamkeit verwandelt. Es gibt viel weißen Raum und kaum kleinteilige Häppchen, die sich schnell weglesen. „Wir wollten der heutigen Lesegewohnheit etwas entgegensetzen“, sagt Boros. Jeder Autor hat Platz, einen einzelnen Gedanken sehr ausführlich auszubreiten, zum Beispiel der Stilchef der „Welt“, Adriano Sack über Androgynie, Autorin Antonia Baum über das Stillen und Ronja von Rönne über das Altern als Paar. Lena Bergmann stellt sich vor, dass man die langen Texte abends alternativ zum Buch liest. Der Auswahl der allesamt bekannten Autoren sieht man an, wie bemüht die Redaktion war, dem historischen Vorbild nachzueifern. Damals schrieben Autorinnen wie Vicki Baum, malten Künstler wie Christian Schad und Tamara de Lempicka die Titelbilder. Die „Traumnovelle“ von Arthur Schnitzler erschien zuerst in „Die Dame“ – das Ehepaar Lydia und Andreas Rosenfelder schrieb jetzt, 92 Jahre später, eine Fortsetzung.

Tipps zum Anziehen verbieten sich

Nur bei der Mode will das mit dem Modernisieren nicht wirklich funktionieren. Das Modeideal der heutigen „Dame“ ist, individuell zu sein, in jedem Alter. Lena Bergmann möchte weg vom monotonen Vorbild der vor allem blonden, photogeshopten Frau, das viele Frauenmagazine anbieten. So sollen vor allem ältere Frauen „Die Dame“ lesen. „Klar gibt es auch sehr kluge 25-Jährige, aber bei uns ist mit 40 noch nicht Schluss“, sagt Bergmann. Natürlich verbietet es sich da, Tipps zu geben, was man anziehen, wie man aussehen soll, was im Original durchaus noch üblich war. In der Ausgabe vom Juli 1929 kann man es nachlesen: „Man spricht sehr viel von neuer Rundlichkeit – bei den anderen. Aber man selbst bleibt schlank, das steht einmal fest.“

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