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Medien: „Die Deutschen sind locker geworden“

Aber über die neue Schamlosigkeit kann sich Cordula Stratmann aufregen. Ein Gespräch über Humor

Frau Stratmann, Sie müssen zunächst einmal erklären: Warum sind viele Deutsche oft so schlecht gelaunt, obwohl es im Fernsehen so viele Comedy-Sendungen gibt?

Die Deutschen tun sich gerne leid. Sie haben mit das schlimmste Leid in der Welt angerichtet, sind aber auch sehr nah am Selbstmitleid. Das muss man erst mal hinkriegen. Halt. Ich will jetzt mal eine Lanze für die Deutschen brechen. Die sind gar nicht schlecht gelaunt – ansonsten hätte ich ja gar nicht meine Heiterkeit entwickeln können. Die Deutschen sind sehr lachbereit, ein gut gelauntes Volk. Es gibt hier so viele Comedy-Sendungen, weil man dem Bedarf nach Lachen gar nicht richtig nachkommen kann.

Gibt es einen Basic-Humor in Deutschland, der immer funktioniert?

Ich habe einen „Um-die-Ecke“-Humor. Die Zuschauer müssen mit mir durch einige Hirnwindungen durch, bis ich am Ende des Satzes angekommen bin. Deutsche sind ja kompliziert denkende Menschen, vielleicht können sie deshalb meinen Gedanken besser folgen. Dass da so viele Leute mitkommen, freut mich sehr. Allerdings kommt in Deutschland auch der sehr platte Humor gut an. Es gibt in der Humorlandschaft viele Ausprägungen und jede hat ihr Publikum.

In Deutschland laufen immer mehr Serien, die aus den USA adaptiert wurden. Aber geht das überhaupt: eine Serie so zu verpflanzen wie eine Starbucks-Filiale?

Solche Überlegungen stellen Humortheoretiker an. Ich selbst mache mir grundsätzlich keine großen Gedanken darüber, warum das eine funktioniert und das andere nicht. Ich habe mir damals die erste Folge von „Sieben Tage – Sieben Köpfe“ angesehen und war ganz sicher, dass ein solches Konzept nicht funktionieren kann, denn vorbereitete Gags finde ich überhaupt nicht komisch. Und dann wurde die Sendung doch zu einer erfolgreichen Comedy-Show. Der Zuschauer ist unberechenbar. Deshalb gehe ich nach meinem Instinkt und konzentriere mich auf das, was ich anzubieten habe. Ist es einfacher, als verkleidete Person komisch zu sein? So, wie Sie es als Annemie Hülchrath gemacht haben oder wie es die Art von Hape Kerkeling ist.

In einer Rolle habe ich andere Möglichkeiten, als wenn ich als Cordula Stratmann auftrete. Als Annemie Hülchrath konnte ich Fragen stellen und mehr Naivität an den Tag legen. Als pure, echte Cordula Stratmann bin ich auf der Bühne aber sowieso nicht zu sehen. Auch die Cordula Stratmann in der „Schillerstraße“ ist eine Figur. Sie hat andere Eckdaten und funktioniert auch anders. Trotzdem ist sie sehr nahe an mir, weil ich spontan komisch sein muss und noch weniger nachdenke als in einer Rolle.

Worüber können Sie selbst lachen?

Den Mutterwitz von Hape Kerkeling finde ich brüllend komisch. Oder das Freelancer-Dasein von Helge Schneider erreicht mich sehr. Bei den beiden bin ich gerne Zuschauerin.

Und worüber können Sie nicht lachen?

Ich ziehe jetzt nicht über Kollegen her. Aber was ich nicht komisch finde, ist wiederholbarer Humor. Alles, was auf Pointe setzt. Wenn sich die Pointe schon drei Minuten vorher am Horizont abzeichnet. Oder wenn jemand auf eine Komik setzt, die immer dieselbe ist. Wenn mir Kollegen sagen: „Das funktioniert aber gut“, so etwas interessiert mich nicht. Alles, was schnell funktioniert, ist nicht meins. Ich mag Sprachwitz, Ironie und Selbstironie. Und Situationskomik.

Aber setzen nicht viele Ihrer Kollegen auf diesen voraussagbaren Humor?

Ja, gruselig. Aber ich muss im Kontakt mit den Kollegen immer wieder feststellen: Die finden das komisch. Die Kollegen, die ich selbst nicht einschalten würde, finden sich selbst ziemlich klasse. Mein persönlicher Geschmack deckt sich gar nicht immer mit allen. Daraus entsteht ja auch meine Note. Ich kann nicht sagen, welcher Kollege in zehn Jahren noch erfolgreich sein wird und wer nicht. Allerdings habe ich eine persönliche Ranking-Liste – aber die verrate ich nicht.

Haben Comedy-Darsteller nicht sowieso einen der sichersten Berufe in Deutschland, weil die Leute den Humor brauchen?

Sicher ist gar nichts. Als ich damals meinen Beruf als Sozialarbeiterin aufgegeben habe, habe ich auch meine Sicherheit aufgegeben. Ich habe mich in die freie Bewegung hineinbegeben. Diese Unsicherheit treibt mich aber auch immer wieder an. So gewöhne ich mich erst gar nicht an einen bestimmten Standard oder denke, dass ich jetzt nur noch abliefern muss.

Haben Sie denn Angst davor, dass Ihr Instinkt Sie irgendwann verlässt und die Zuschauer die Nase voll von Ihnen haben?

Nein, ich habe keine Angst. Weder denke ich darüber nach, ob ich mit 60 Jahren immer noch erfolgreich bin oder wie es in einem Jahr läuft. Ich finde das wunderbar, wie das Publikum und ich zurzeit zusammenpassen. Wenn die irgendwann denken, dass sie über etwas lachen möchten, das ich nicht anzubieten habe, mache ich eben wieder etwas anderes.

Was denn?

Dann mache ich mit meiner Freundin eine Familientherapiepraxis auf. Ich hab das acht Jahre lang leidenschaftlich gerne gemacht. Und ich würde mit Freude diese Arbeit wieder aufnehmen.

Haben Sie das Gefühl, dass die Deutschen lockerer werden, weil es immer mehr Comedy im Fernsehen gibt?

Die Deutschen sind tatsächlich locker geworden. Leider auch schamloser. Viele Trash-Formate wie Talkshows haben dazu beigetragen, dass man sich gar nicht mehr schämen muss. Man kann sich heute super daneben benehmen. Und wenn man sagt: Ich stehe dazu – dann wird das mit Applaus versehen. Das ist nicht meine Richtung.

Wünschen Sie sich mehr Respekt und weniger Trash?

Allerdings. Ich würde mir wünschen, dass sich das Publikum geschlossen dagegen entscheidet, wenn ein Sender wieder mal ein Format bringt, bei dem sich die Leute blamieren und wo sich die Leute darüber ausschütten vor Lachen, wie dämlich die anderen sind. Ich hab an so etwas keine Freude. Aber zurzeit kommen solche Sendungen leider gut an. Deshalb wird mein Wunsch wahrscheinlich nicht so schnell in Erfüllung gehen.

Das Gespräch führte Sonja Pohlmann.

Die nächste Folge der „Schillerstraße“läuft Freitag um 20 Uhr 15 auf Sat 1

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