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Medien: Die drei Berlusconis

Springer, „Spiegel“ und „FAZ“ wischen die Rechtschreibreform einfach weg. Damit stellen sie sich über die Politik

In diesem Artikel geht es nicht darum, ob die Rechtschreibreform vernünftig oder unvernünftig ist, gut oder schlecht. Das ist ein anderes Thema. In diesem Artikel geht es darum, ob es gut ist, wenn drei mächtige Männer, Personen, die durch nichts anderes legitimiert sind als durch die Macht ihrer Firma, den Beschluss einer deutschen Kultusministerkonferenz kippen können. Kippen? Nein, wegwischen. In einer Aktion, die, wenn es um etwas Wichtigeres ginge als Rechtschreibung, Züge eines Staatsstreichs hätte. Die Reform taugt nichts, weg damit, wir machen das mal eben.

Wer hat die Macht? Die Parlamente und die Regierungen, die durch Wahlen bestimmt werden, oder die großen Medienunternehmen? Das ist die Frage.

Die drei Männer sind der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen“, Frank Schirrmacher, der Chef des Springer-Konzerns, Mathias Döpfner, und der Chef des „Spiegel“, Stefan Aust. Zwei von ihnen haben gerade synchron und in großer Aufmachung ihren Ausstieg aus der neuen Rechtschreibung erklärt, der Dritte war gar nicht erst eingestiegen. Andere, vor allem die „Süddeutsche Zeitung“, haben sich angeschlossen. Wenn man das Gewicht dieser drei zusammennimmt, sind Schirrmacher, Döpfner und Aust fast eine Art Berlusconi. Zusammen repräsentieren sie einen guten Teil der publizistischen Macht in einem Land, in dem die Medien seit Jahren unablässig wichtiger und mächtiger geworden sind, was man unter anderem daran merkt, dass dieses Land einen Medienkanzler hat, der einmal gesagt hat, dass er zum Regieren vor allen die „Bild“-Zeitung und die Glotze braucht. Außerdem besitzt dieses Land ein Über-Parlament, das den Namen „Sabine Christiansen“ trägt.

Wie sehr das Machtgefüge sich zugunsten der Medien verschoben hat, wird einem klar, wenn man an Austs Vorgänger denkt, an Rudolf Augstein. Augstein wollte in einem bestimmten Moment seines Lebens zum politisch Handelnden werden, also ließ er sich für die FDP in den Bundestag wählen (wo er es nur kurz aushielt). Bundestagsabgeordneter! Für jeden Chef eines Medienkonzerns wäre dieser Job inzwischen ein gewaltiger Abstieg. Das macht heute keiner mehr. Volksvertreter sind viel zu machtlos.

Die drei Medien-Manager haben jedes Recht der Welt, mit Kommentaren und sogar mit Kampagnen Sturm zu laufen gegen eine Reform, die sie, aus nachvollziehbaren Gründen, für unsinnig halten. Es ist auch ihr Recht, in ihrem jeweiligen Medium an den alten Schreibweisen festzuhalten. Das ist jedermanns Recht: zu schreiben, wie man möchte. „Daß“ zu schreiben, ist nicht strafbar. Im Grunde dürfen die deutschen Kultusminister nur eines: Sie dürfen bestimmen, was an den Schulen gelehrt wird. Denn an den Schulen muss es eine geltende Schreibnorm geben, sonst verzweifeln Lehrer und Schüler. Mit ihrer konzertierten Aktion aber regieren die drei Medienmanager indirekt in die deutschen Schulen hinein. Sie wollen, kraft ihrer wirtschaftlichen und publizistischen Macht, bestimmen, wie die deutschen Schüler schreiben.

Was kommt als Nächstes? Werden als nächstes die drei größten deutschen Konzerne erklären, dass sie den Kündigungsschutz für noch unsinniger halten als die Rechtschreibreform, und dass sie sich deswegen ab sofort nicht mehr an die entsprechenden Vorschriften halten?

Der Respekt vor den Spielregeln ist nun mal eines der zentralen Prinzipien der Demokratie. Spielregeln gelten für alle. Das Gegenteil dieses Prinzips heißt: Recht des Stärkeren, Selbstjustiz.

Hinter dem Versuch der drei Manager, die Rechtschreibreform wegzuputschen, schimmert erstaunlicherweise der alte, antiautoritäre 68er-Geist, den man im Hause Springer zuallerletzt vermutet hätte. „Die Sprache gehört nicht der Kultusbürokratie“, heißt es im letzten „Spiegel“, Originalton ’68. Die Rede ist von einer „parteiübergreifenden Bürgerbewegung“. Man steht also wieder an der Spitze der Bewegung. Im Kampf gegen die Rechtschreibreform ist ein interessantes geistiges Mischprodukt entstanden – der revolutionäre Ton von einst verschmilzt mit dem neoliberalen Geist von heute. Der Neoliberale sieht im Staat ja immer und zuallererst „Bürokratie“, der Staat muss überall zurückgedrängt werden, zugunsten von – ja, was? Zugunsten der Manager. Das ist die neue revolutionäre Elite.

Die drei Manager haben eine Art magische Linie überschritten. Bisher hat als ehernes Prinzip gegolten: Journalisten sind Beobachter. Journalisten mischen nicht selber mit im Spiel der Macht. Sie beschreiben und kommentieren, mehr nicht. Seit der Rollenwechsel zwischen Politikern, Journalisten und Moderatoren eine alltägliche Sache geworden ist, galt dieses Prinzip ohnehin nur noch eingeschränkt. Jetzt muss man sich offiziell davon verabschieden. Die berühmte, in jeder Journalistenschule gelehrte Regel des Fernsehmoderators Hanns Joachim Friedrichs – Journalisten machen sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten Sache –, diese Regel gilt nicht mehr für alle.

Einen Volksentscheid würde die Rechtschreibreform bestimmt nicht überstehen. Das wäre immerhin ein demokratisches Verfahren. Das Volk entscheidet. Und nicht drei Firmenchefs, die sich zusammensetzen, in der Berliner „Paris Bar“ vielleicht, und zu dritt beschließen, mal eben einen Ministerbeschluss zu kippen.

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