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Medien: Die ganze Welt ist ein Date

Ein „Tatort“ der einsamen Herzen: Single-Kommissar geht zum Single-Treff – und findet Single-Toten

Irgendwie ist es dem Kriminaloberkommissar Carlo Menzinger (Michael Fitz) schon peinlich, den beiden Kollegen Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) zu gestehen, dass er, jawohl, auf einer Single-Veranstaltung war. Ja du, Carlo, feixen Franz und Ivo, des hätten wir aber nicht gedacht, du auf einer dieser Sechs-zum-Essen-Veranstaltungen? Der Grund, warum der Dritte im Münchner „Tatort“-Bunde das seinen Kollegen überhaupt so freimütig erzählt, der Grund ist ein Toter. Einer der sechs, zu denen er auch gehörte. Peter (Merab Ninidze), der sich in der Runde sofort als der eigentliche Frauenluftikus entpuppte, er schnappte dem armen Carlo auch noch just die angehimmelte Korinna (Tatjana Alexander) vor der Nase weg. Und wird kurz darauf, nach der Single-Abschlussfete, gezielt überfahren. Korinna kommt unverletzt davon.

Aber na, der Carlo, also den schließen wir mal aus. Aber was ist eigentlich mit der ominösen Rafaela (intensiv und nachhaltig: Bibiana Beglau), die als Single so sehr unglücklich ist, sich so sehr ungeliebt fühlt und sich ziemlich merkwürdig verhält. Und was ist mit Sofie (Ulrike Krumbiegel), der Frau von Peter, die just die Veranstalterin der Sechser-Dates ist und nicht wusste, dass Peter diese besucht? Überhaupt, die Frauen scheinen voller Rätsel.

Der 37. „Tatort“ des Bayerischen Rundfunks, „Sechs zum Essen“, kreist um ein Sujet, das wohl aktueller und zugleich zeitloser nicht sein könnte: die ewige Suche nach dem wirklich einzig richtigen Partner, so es ihn denn überhaupt gibt. Das ist das Zeitlose daran.

Das Aktuelle ist, dass der medial-omnipräsente Hype um Single-Chats, Single-Dates, Single-Essen wohl auf einem vorläufigen Höhepunkt angelangt ist. Die ganze Welt scheint eine boomende Single-Börse, und gerade im schön leuchtenden München soll inzwischen jeder Dritte Single sein.

Ein Trend? Jedenfalls eine Tatsache, die den 30- bis 40-Jährigen unter den Nägeln brennt. Von wegen biologischer Uhr, und überhaupt. Und Autorin Stefanie Kremser, selbst 36 Jahre jung und somit absolutes Zielgruppenmitglied, machte daraus einen „Tatort“-Stoff, den Regisseur Filippos Tsitos („My sweet Home“, 2001) umsetzte. Zuvor schrieb Stefanie Kremser bereits das Drehbuch zu dem BR-„Tatort: Wolf im Schafspelz“ (2002), ebenfalls von Tsitos inszeniert. Franz Xaver Kroetz trat hier erstmals wieder im Fernsehen auf, einige Jahre nach „Kir Royal“.

„Sechs zum Essen“ setzt formal etwas fort, was all die letzten „Tatorte“ des BR mit ausmachte: Man ruht sich stilistisch nicht auf Konventionen aus, nein, man geht im Rahmen der Fernsehmöglichkeiten kleine, neue Wege, ob bei der Kameraführung, der Lichtsetzung, der Farbgebung oder eben auch beim Sound, der Musik. Der vorletzte Krimi etwa, „Wenn Frauen Austern essen“ (2003), zeichnete sich durch einen undefinierbaren, befremdlichen Klangteppich aus, der jedoch die ambivalente Stimmung des ganzen Falles adäquat wiedergab.

Okay, nicht jeder der bisher 37 Münchner „Tatorte“ ist gleich eine stilistisch-formal fulminante Ausnahmearbeit, aber es fällt schon auf, dass hier großer Mut zu Wagnis und Risiko besteht. Und das wird langfristig immer belohnt, auch vom Zuschauer.

Und das Trio Batic-Leitmayr-Menzinger erfreut sich ohnehin hoher Quoten, Marktanteile und Kritikerfreunde, weil, das mit dem subtilen Frozzeln und Feixen, das können’s halt.

„Tatort“: 20 Uhr 15, ARD

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