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Medien: Die Kaffeemühle auf Wanderschaft

verrät, was Sie nicht verpassen sollten Irgendwann ist es vorbei mit der Biergartenherrlichkeit. Auch das letzte Café stellt die Stühle rein, der Mensch zieht sich ins Futteral zurück.

verrät, was Sie nicht verpassen sollten Irgendwann ist es vorbei mit der Biergartenherrlichkeit. Auch das letzte Café stellt die Stühle rein, der Mensch zieht sich ins Futteral zurück. In der herbstlichen Wohnhöhle wartet dann das Radio auf ihn. Im Hörspiel „Der Planet“ stellt Autor Jewgenij Grischkowez seine Hauptfigur ans Fenster. Ein einsamer Mann in der nächtlichen Großstadt. Am erleuchteten Fenster gegenüber steht eine Frau, die ausgiebig telefoniert. Der Mann beobachtet sie. Im furiosen Monolog träumt er von einer unerhörten Begegnung, von Liebe, ja von Erlösung. Er schwärmt und sehnt sich, dekliniert dabei seine ganze Lebenserfahrung durch (Kulturradio, 5. November, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

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Man kann das Radio auch für bewusstseinserweiternde Trips nutzen. Etwa durch direkten Vergleich zweier Hörspiele, die beide versuchen, ihre Gegenwart in dramatische Gedanken zu fassen. Vor genau 30 Jahren wurde Joachim Nowotnys Hörspiel „Ein altes Modell“ im DDR-Rundfunk erstmals gesendet. Hauptfigur Bruno hat ein Problem: Seine alte elektrische Kaffeemühle ist kaputt. Früher wurde der Defekt durch einen befreundeten Elektriker im Handumdrehen behoben. Jetzt gibt es ein großes Reparierkombinat mit zentraler Annahme und wochenlanger Wartezeit. Der Sozialismus, muss Bruno begreifen, ist steif und kompliziert geworden. Er will sich nicht abfinden damit und geht mitsamt der Mühle auf Wanderschaft (Deutschlandradio, 5. November, 19 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

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Irgendwie sind auch die Figuren in Roland Schimmelpfennings Hörspiel „Für eine bessere Welt“ mit ihrer Gegenwart unzufrieden. Der zeitgenössische Autor verstrickt sie in namenlose Kämpfe. Das Gelände ist unübersichtlich geworden. Das Wollen bleibt diffus, die Feinde scheinen nur noch Phantome. Aber es geht eben trotzdem weiter: Mit den Kämpfen, mit der Unzufriedenheit, mit der Sehnsucht nach einer besseren Welt (Deutschlandfunk, 6. November, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

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Auch René Pollesch, wir wissen es von manchem Prater-Abend, erzählt von einer Welt, die ihre scharfen Konturen verloren hat. Hauptfigur in Polleschs Hörspiel „Heidi Hoh 3“ ist die Telearbeiterin Heidi Hoh. Heidis Firma befindet sich im Internet, ihr Arbeitsplatz ist zu Hause am Computer. Was ist da Innen-, was ist Außenwelt? Was privat, was öffentlich? Ausbeutung und Unterdrückung finden nach wie vor statt, aber man sieht sie nicht mehr gut. Als Gegenwehr bleibt Heidi nur wortmächtige Hysterie (Deutschlandradio, 8. November, 0 Uhr 05).

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Hauptfigur in Lothar Trolles abgründigem Hörspiel „Gott flaniert“ ist Götterbote Hermes. Nach mythischer Überlieferung schützt Hermes die Diebe und Lügner, nebenbei hat er ein intimes Verhältnis zu den Musen. Trolle lässt seinen Hermes durch eine zeitgenössische Landschaft flanieren. Er stiehlt, vergewaltigt und mordet. Doch während dieser Untaten ist er im Kopf pausenlos mit den Feinheiten der deutschen Verskunst beschäftigt: mit Klopstocks Alexandrinern, Lessings Blankversen, Goethes freien Rhythmen. Regisseur Klaus Buhlert hat die schwarze Parabel auf Kunst und Verbrechen wie ein Stück Popmusik in Szene gesetzt. Ein Schock für den Kopf, ein Genuss für die Ohren (Deutschlandfunk, 9. November, 20 Uhr 10).

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