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Medien: „Die Kerle wollen wir nicht“

Das Zweite droht – das Erste überträgt die Deutschland-Tour trotzdem

Zwei Helikopter, drei Kameramotorräder mit GPS-System, Mini-Kameras unter Satteln, ein Bio-Datenservice, der die Trittfrequenz erfasst – rein technisch gesehen ist die ARD gut gerüstet für das nächste Großereignis im Radsport, das am Dienstag startet: die Deutschland-Tour. Fast hätte man sich schon wieder auf sauberen Spitzensport und „vielfältige Landschaften“ (ARD-Heft) freuen können, fast wäre der schwere, dopingverseuchte Start der Tour de France ein wenig in Vergessenheit geraten – wäre da nicht Floyd Landis gewesen. Der Fall des dopingverdächtigen Siegers der Tour de France hat auch die Berichterstattung über den Radsport neuerlich in Zweifel gezogen. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender reagierte bereits und drohte mit einem Ende der Berichterstattung über die Tour de France, falls wirksame Gegenmaßnahmen seitens der Veranstalter, Verbände und Teams unterbleiben.

„Die Kerle wollen wir nicht“, bestätigte Brender gegenüber dem Tagesspiegel. Er sei „nicht ganz undankbar dafür, dass die ARD die Deutschland-Tour exklusiv übertragen werde. „So haben wir etwas mehr Zeit zu reagieren.“ Wer weiß denn, wer da mit welchem Mittel im Blut über Deutschlands Straßen rollt? Was also tun? Brender wiederholte die Forderung nach einem Doping-Kodex. „Wir haben am Freitag mit der ARD gesprochen. Es wird demnächst ein Treffen mit dem Deutschen Radsportverband und den drei großen deutschen Rennställen geben.“ Vom Tour-Veranstalter A.S.O. werden verschärfte Maßnahmen und Strafen bis hin zu Sperrung von Rennställen gefordert. „Individuelle Sanktionen reichen offenbar nicht aus“, so Brender, „einer denkt immer, er kommt durch.“

Das hilft der ARD jetzt wenig. Es sei im Moment nicht daran gedacht, aus der nächsten Frankreich-Rundfahrt auszusteigen und schon gar nicht aus der Radsport-WM im September oder der Deutschland-Tour, sagte Rolf-Dieter Ganz, Sprecher des Saarländischen Rundfunks (SR), der für die Berichterstattung im Ersten zuständig ist. „Das geht so kurzfristig auch nicht.“ Insgesamt 18 Stunden Deutschland-Tour seien eingeplant, man werde sehen, wie man das Dopingthema in den Griff bekommt, unter anderem mithilfe von Reporter Hajo Seppelt, dem ARD-Experten in Sachen Doping. Das Erste habe entschieden, „im Sattel zu bleiben“, das heißt, die Live-Übertragungen fortzusetzen, „weil wir jenen Fahrern nicht Unrecht tun wollen, die nicht dopen und die Strapazen ehrlich bewältigen wollen“, sagt SR-Intendant Fritz Raff. ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf warnte vor Kurzschlussreaktionen. „Allerdings wollen wir von den Veranstaltern, Mannschaften und Verbänden klarere Garantien haben, wie man uns einen sauberen Sport anbieten kann, wenn wir darüber berichten“, sagte Boßdorf.

Alles schöne Worte, nur: Man glaubt, sie schon oft gehört zu haben. Der jahrelange Doping-Verdacht beim Dauer- Toursieger Lance Armstrong, das Skandaljahr 1998, dann Jan Ullrich vor der Tour 2006, nun die Vorwürfe gegen Tour-Sieger Landis – ARD und ZDF haben nie wirklich Konsequenzen gezogen, was den Umfang der Berichterstattung betrifft. Die Quoten waren wohl einfach zu gut, selbst bei der Tour 2006 – ohne Jan Ullrich.

Jetzt scheinen es ARD/ZDF ernster zu meinen. Als das Erste am Donnerstag nach der „Tagesschau“ in einem zehnminütigen „Brennpunkt“ über den Dopingverdacht gegen Landis berichtete, blieben fast alle Zuschauer dabei. Für das Zweite tönt Brender: „Wir haben einen Vertrag über eine Sportveranstaltung und nicht über eine Pharma-Leistungsschau abgeschlossen.“ Die Rechnung ist einfach – und so neu nicht: Weniger Berichterstattung über die Rennen bedeutet weniger Zuschauer für Sponsoren, bedeutet weniger Geld für Teams und Fahrer. Die Verträge über die Rechte an der Tour-Berichterstattung laufen bis 2008, aber wer sagt denn, dass man nicht auch eine halbe Stunde am Abend darüber berichten könnte.

Siehe auch Seiten 2 und 20

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