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Medien: Die Kultur-Odyssee

„aspekte“ erinnert an 40 Jahre „aspekte“

Das Danaergeschenk zum Geburtstag hat sich das ZDF selbst beschert: Pünktlich zum 40. Jubiläum wurde das Kulturmagazin „aspekte“ auf einen späteren Sendeplatz verlegt. Nicht zum ersten Mal allerdings: freitags oder dienstags, zweiwöchtentlich oder jede Woche, 30 oder 45 Minuten lang – „aspekte“ hat schon einige Odysseen hinter sich. An die wechselvolle Geschichte des ältesten deutschen Kulturmagazins erinnert nun ein Jubiläumsprogramm am heutigen Freitag.

„Die ersten vierzig Jahre“ ist die „lange Nacht der Erinnerungen“ programmatisch überschrieben – und kann doch nicht verhehlen, dass die frühen Jahre die besten in der Geschichte der Sendung gewesen sein könnten. Charismatische Redaktionsleiter wie Walther Schmieding oder Reinhart Hoffmeister sind im Rückblick noch einmal zu erleben. So liest Schmieding 1973 süffisant aus dem neuen Duden vor, mokiert sich über Neuzugänge wie „Basisgruppe“, „Frustration“, „überfischen“ und vor allem über das als „derb“ betitelte „bumsen“.

Sein Nachfolger Reinhart Hoffmeister greift direkter in die politische Diskussion ein, erklärt am Bildschirm die Gründung einer Bürgerinitiative und kämpft gegen den Flächenabriss in Städten wie Heidelberg, Bamberg oder Eltville. Der „Agitator für die gute Sache“ erhält schließlich Hausverbot im ZDF, nachdem der Schriftsteller Gerhard Zwerenz 1974 im Zusammenhang mit den Frankfurter Häuserkämpfen von Foltermethoden der Polizei gesprochen hatte – die Polizisten wurden später verurteilt, Intendant Karl Holzamer musste nach massiven Protesten Hoffmeisters Kündigung zurücknehmen.

Wilde Jahre, in denen über Woodstock, Summerhill, die Kinderladenbewegung, Wallraff in Athen, Pornodebatte und Feminismus berichtet wird. Die „Sex Pistols“ treten auf, Beuys singt live im Fernsehen, Grass grillt einen Butt, und Alice Schwarzer beschwichtigt, man wolle keineswegs die Männer ausrotten. Legendär die Filmberichte von „Kinopapst“ Peter W. Jansen – man überträgt stundenlang live von den Berlinale-Partys, Klaus Kinski bricht wütend eine Pressekonferenz ab, weil einer der Journalisten es wagt zu rauchen, Jean-Luc Godard tupft Jansen beim Interview fürsorglich den Schweiß von der Stirn.

Es ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik, die sich in 40 Jahren „aspekte“ spiegelt, bis hin zur Wende, mit Christa Wolf auf dem Alexanderplatz. Ein offenes Ohr für den Osten hat „aspekte“ auch zuvor gehabt, unter Dieter Schwarzenau und Johannes Willms, in Prag und Leipzig, Leningrad und Berlin. In den Neunzigern ist es Sarajewo und Dubrovnik, der Golfkrieg und schließlich 9/11, die das Magazin prägen. Der Ton der eigentlichen Kulturberichterstattung, von Nigel Kennedy bis Anna Netrebko, von der Biennale in Venedig bis zu Goya, ist dabei immer mainstreamiger geworden, man tritt immer häufiger als Medien- oder Kooperationspartner auf. Das sind Vokabeln, über die Schmieding bei der Aufnahme in den Duden sicher gespottet hätte.

Der Titel des heutigen GeburtstagsBlues „aspekte – Die ersten 40 Jahre“zeigt, dass es jetzt auf die wenigstens nächsten 40 Jahre zugehen soll. So wenig an der weiteren Existenz des Kulturmagazins gezweifelt werden muss, so unklar ist der künftige Sendeplatz am Freitag (?) um 22 Uhr 15 (?). Im September und Oktober hat ZDFProgrammdirektor Thomas Bellut in einer „Testphase“ untersuchen lassen, ob der Freitagabend für das ZDF quotenmäßig besser laufen würde, wenn „aspekte“ nicht länger um 22 Uhr 15, sondern später, also wie der Testphase, nach „Kerner“ oder einem dritten Krimi, gesendet wird. Die Ergebnisse, heißt aus Mainz, sind keineswegs eindeutig. Weiterhin scheint es für den Sendeplatz zwei Varianten zu geben: Am Freitag um 22 Uhr 15 oder um 22 Uhr 45 oder 23 Uhr mit einer Vorläufersendung, die noch nicht definiert ist. Entschieden wird Anfang Dezember.

Das Kulturmagazin, das zuletzt 150000 Zuschauer dazugewann, wie „aspekte“-Chef Wolfgang Herles sagt, sieht sich durch die Änderungen existenziell bedroht. Viele Stamm-Seher protestieren bereits beim ZDF. „Die Sendeplatzdebatte ist fast so alt wie ,aspekte’ selbst“, sagt Herles. Er zeigt Kampfeswillen: „Totgesagte leben nicht länger, wenn sie sich abschieben lassen ins Sterbezimmer der Nacht, sondern sie sich mit dem Urteil der Schulmedizin nicht abfinden und ungeahnte Lebenskräfte entwickeln.“ Christina Tilmann/Joachim Huber

„aspekte“, 22 Uhr 15; „aspekte – die ersten 40 Jahre“, 0 Uhr 55, ZDF

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