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Medien: Die Kunst des Nervens

In „Blind Date 6“ brillieren Anke Engelke und Olli Dittrich in Szenen einer Ehe

Improvisation baut eine zusätzliche Spannungsebene in den (TV)-Sketch ein: Man weiß, dass die Darsteller Situation und Dialog hic et nunc erfinden müssen. Da ist nichts mit in der Rolle ausruhen und Text abliefern, vielmehr ist alles neu und höchste Konzentration erfordert. Dieses Spannungs-Extra macht das Genre beliebt (siehe: „Schillerstraße“ auf Sat 1), aber auch gefürchtet. Denn wo es kein Buch gibt, prasseln nicht nur die Pointen, es dehnt sich auch der Leerlauf. Außer man schaut den immer noch brillanten Pionier: „Blind Date“. Der Erfolg dieser nun zum sechsten Mal produzierten Improvisationsshow beruht auf drei Faktoren: Anke Engelke, Olli Dittrich und der Improvisationsidee als solcher.

Diesmal spielen beide Comedians die Eheleute Elke und Udo, die nach der Hochzeitsfeier von Udos Schwester das Hotelbett einnehmen und zwischen Abschminken und Lichtausknipsen den Abend Revue passieren lassen. Ist was passiert? Nein, es war alles in allem ein gelungenes Fest. Der Vater der Braut hat ein bisschen viel getrunken. Elke hätte gern öfter mit Udo getanzt, aber, ja nun, dafür war das Essen gut, und man hat die Verwandten getroffen. So weit die Oberfläche. Unter ihr wabern die verletzten Gefühle: Elkes Scham über den Säufer von Schwiegervater, ihr unglückliches Bewusstsein, sich unter Wert an einen Clan von Deppen weggeworfen zu haben, und Udos nicht minder lädiertes Ego: Weiß er doch nur zu genau, dass seine Frau ihn samt seiner Familie im Grunde verachtet, dass ihr etwas Besseres an der Wiege gesungen war als die Einheirat in eine Fahrschule und – ja, dass ein Showstar an ihr verloren gegangen ist. Aber mit der sonnigen Vitalität eines Fahrlehrers, bei dem hübsche Fahrschülerinnen niemals durchfallen, setzt sich Udo über die versteckten und offenen Mäkeleien seiner Ehehälfte gekonnt hinweg – offenbar hat er Übung darin. „Dann heul doch endlich! – Immer die gleiche Nummer.“

Wie Engelke darauf reagiert, wie sie tatsächlich heult – allerdings nur kurz, quasi zitathaft – , das verweist auf ein Ritual, wie es den Ehealltag dieses Paares prägt und schon unzählige Male abgelaufen ist: Sie inszeniert ihre (vermeintliche, beanspruchte) Höherwertigkeit, er seine Verachtung ihrer Verachtung: „Du suchst an mir irgendwelche Sachen, die nicht gut genug sind“, dabei schreibt er im Bad heimlich SMS und muss am Handy zweimal eine Anruferin (so jedenfalls reimt es sich der Zuschauer zusammen) verleugnen. Der gedeckelte Udo ist in Wahrheit der Gewinner. Er weiß zu leben, er hält sich an den Fahrschülerinnen schadlos, während sie ihren in der Ehe begrabenen Karriereträumen nachhängt. Aber auch da ist die Geschichte von Udo und Elke nicht zu Ende. Ob es Udo wirklich nichts ausmacht, dass sie so viel krittelt? Ob er sich nicht doch manchen Schuh heimlich anzieht? „Ich kann leider nicht so toll tanzen wie du“, und, wie sich am Ende rausstellt, fand auch er den volltrunkenen Vater hochnotpeinlich. Nein, so einfach ist das alles nicht; sie ist eine eingebildete Schnalle und obendrein „auf Krawall gebürstet“, aber sie hat Recht. Und überhaupt: „Warum haben wir keine Kinder?“

Dieser Unglücksbilanz einer ziemlich normalen Ehe komische Tiefenschärfe und traurige Vorgeschichte gegeben zu haben, einen Zeitraum, der weit über den Tag dieses Hochzeitsfestes und die Abmessungen dieses Hotelzimmers hinausreicht, das ist das Verdienst der Schauspieler Engelke und Dittrich, und man kann nur sagen: Glückwunsch!

„Blind Date 6 – Tanzen verboten“: ZDF, 22 Uhr 15

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