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Medien: Die Nagelprobe

Beim ADC-Wettbewerb wird wieder die originellste deutsche Werbung prämiert

Er ist länger als ein Kugelschreiber, goldglänzend: Der schlanke, schimmernde Nagel, in dessen Kopf die verschlungenen Buchstaben „ADC“ eingraviert sind, ist – je nach Betrachter – entweder die wohl begehrteste Trophäe in der Werbebranche oder einfach eine tödliche Waffe. „Die wollten mich am Flughafen damit nicht durchlassen“, sagt der Grafikdesigner und Art Directors Club-Mitglied Kurt Weidemann empört, der gerade den kostbaren Gegenstand vorsichtig aus seiner Tasche gezogen hat. Die Sicherheitsbeamten sahen statt des begehrten Preises nur einen metallenen Spieß, und fast hätte der Nagel es deshalb nicht mehr nach Berlin geschafft.

Die Beamten werden sich an den Anblick gewöhnen müssen – zehn Goldene Nägel, 49 Silberne und 103 Bronzene vergab der Art Directors Club für Deutschland, ein nach amerikanischem Vorbild gegründeter Verein der Kommunikationsbranche, im vergangenen Jahr an besonders gute Werbekampagnen. In diesem Jahr könnten es sogar noch mehr Nägel werden. Denn ganze 7036 Ausstellungsstücke in 36 Kategorien wie Publikumsanzeigen, TV-Spots oder Zeitschriften und erstmals auch Musikvideos, stehen im CEC in Tempelhof für die Jury, aber auch für die Öffentlichkeit zur Begutachtung bereit. Das sind fünf Prozent Einsendungen mehr als im Vorjahr. „Dass die Einsendungen gegen den Markttrend zunehmen, ist für uns ein positives Zeichen“, sagt ADC-Vorsitzender und Scholz & Friends- Chef Sebastian Turner. „Das zeigt, dass die Bedeutung der Kreativität zunimmt.“

Um einen der Nägel, die am Samstag zum 40. Mal vom ADC verliehen werden, zu ergattern, muss ein Exponat viele Regeln erfüllen: „Es muss originell und neu sein, eine klare Botschaft haben und vor allem Spaß machen, es anzusehen“, zählt Turner auf. Weil der Spaßfaktor so ausschlaggebend ist, sei auch für ein Laienpublikum in der Ausstellung leicht zu erraten, welche Stücke am Ende prämiert werden. „Wir haben mal eine Laiengruppe als Jury hier durchgeschickt, die Ergebnisse waren fast deckungsgleich mit dem, was die Fachjury entschied“, sagt Turner.

Doch um die Frage zu beantworten, ob eine gute Idee wirklich ein Original ist, braucht es das gesamte Fachwissen der Jury. Denn der ADC legt besonderen Wert darauf, dass die Gewinnerstücke einzigartig sind. „Wir müssen entscheiden, ob es nicht schon in China oder Paraguay die gleiche Idee gab“, erklärt Jury-Vorsitzender Werner Butter. Wenn nötig, springt der 74-Jährige als Schiedsrichter ein und trifft die endgültige Entscheidung.

Ein solcher Konflikt tauche öfter mal auf, weil die einfachsten Ideen meist die besten seien, sagt Turner. Beispiel für eine simple, aber wirksame Idee ist für den ADC-Vorsitzenden die Spucktüte der Fluggesellschaft Hapag-Lloyd. „Vielen Dank für Ihre Kritik" steht da in großen, schwarzen Buchstaben auf gelbem Grund, und auf der Rückseite wird dann für „weitere Kritik und Anregungen" auf die Mail-Adresse der Airline verwiesen. Die Tüte ist eines der Ausstellungsstücke in der Kategorie Packungsdesign. „Eine gute Werbung muss sich auf eine einzige Botschaft beschränken, und sie muss unterhaltsam sein“, sagt Turner. Sein persönlicher Favorit sei Werbung, die Menschlichkeit zeige wie bei den Anzeigen, die für Toleranz gegenüber Behinderten werben. „Üben Sie mal Toleranz“, heißt es da über dem Bild eines lächelnden Behinderten. „Übung 1: Lächeln Sie zurück.“

Nicht nur eine Jury, sondern 16 Fachjurys haben sich in den letzten zwei Tagen mit Stift und Klippboard bewaffnet zwischen die vielen Ausstellungsstücke gestürzt. Zumindest einer von ihnen war von Anfang an restlos begeistert. „Endlich sprechen die Bilder wieder – mit Herz, Fantasie und Farbe“, schwärmt Christian von Alvensleben, Vorsitzender der Jury Fotografie/Illustration, nach einem Blick in die Foto-Ecke. „In den vergangenen Jahren waren die Bilder so blutleer", klagt er. „Aber das scheint zum Glück jetzt vorbei zu sein.“ Für die weniger glamouröse Kategorie der Verkaufsförderung hat sich zum vierten Mal Jana Liebig in die Jury wählen lassen. „Es ist erstaunlich, was die Leute sich alles so einfallen lassen“, sagt die freie Texterin und nimmt einen drahtigen Einkaufskorb in die Hand, auf dessen Boden eine Anzeige für Bio-Produkte wirbt. „Auf dieser Fläche verbringen in einer Legebatterie zwei Hühner ihr gesamtes Leben“, steht da in anklagenden Buchstaben. Welches Stück am Ende ihre Stimme bekommt, entscheidet Liebig streng nach den ADC-Regeln, aber auch nach eigener Erfahrung und Intuition: „Man spürt es einfach.“

Die zum ADC-Wettbewerb eingesandten Anzeigen, Plakate und Spots sind im CEC im Flughafen Tempelhof vom 19. bis 22. März zu sehen.

Johanna Rüdiger

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