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Schlagzeilen machen die Proteste in Ägypten auch bei der Presse im Ausland. Die Zeitungen im Libanon (Foto) konzentrieren sich auf die regionalen Auswirkungen. Foto: dpa

© dpa

Die Proteste in den Medien: Brennpunkt Kairo

Getwitter im Libanon, Nachrichtenblockade in China, und Israels Presse ist sich erstaunlich einig. Wie ausländische Medien über die Proteste in Ägypten berichten.

Die aktuellen Entwicklungen in Ägypten werden von Medien aus aller Welt beobachtet – doch was in der Presse geschrieben und im Fernsehen gezeigt wird, weicht stark voneinander ab. Was nicht an den Schikanen der ägyptischen Sicherheitskräfte gegen Journalisten liegt, die der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) am Dienstag kritisiert hat. Während der seit gut einer Woche andauernden Unruhen hatten ägyptische Sicherheitskräfte wiederholt versucht, Korrespondenten einzuschüchtern oder Material zu beschlagnahmen. Ein Blick auf die Berichterstattung in China, Russland, Israel und im Libanon.

China: Keine Bilder von Demonstranten

Ruhe und Stabilität – das ist das oberste Ziel der chinesischen Führung für das eigene Land. Auf diese Linie wurde offenbar auch die Staatspresse eingeschworen. So berichten Chinas Medien mit Sorge über das Chaos in Ägypten. Der Ruf der Bevölkerung nach mehr Demokratie und einem Ende der Herrschaft von Hosni Mubarak fiel weitgehend unter den Tisch. Nach Informationen der in Hongkong erscheinenden „South China Morning Post“ wurden chinesische Tageszeitungen sogar dazu aufgefordert, nicht über Ägypten zu berichten. Selbst Fotos und Videos von ägyptischen Demonstranten oder Panzern dürfen demnach nicht veröffentlicht, sondern lediglich Artikel der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua verbreitet werden. Offenbar befürchten die Machthaber in Peking, dass die Proteste in Nordafrika in der chinesischen Bevölkerung Sympathiebekundungen hervorrufen könnten. Zusätzlich könnten die Bilder aus Ägypten die Chinesen an den eigenen blutig niedergeschlagenen Volksaufstand von 1989 erinnern. Die Behörden versuchen auch, die Kontrolle über die 450 Millionen chinesischen Internetnutzer zu behalten. Auf einigen Websites wurde die Suche nach dem Wort „Ägypten“ blockiert. Facebook, Twitter oder Youtube sind für chinesische Internetnutzer ohnehin dauerhaft gesperrt. Peer Junker, Peking

Russland: Furcht vor einem Machtwechsel

Sonst eher auf innenpolitische Nabelschau fixiert, setzen sich russische Medien – kritische wie staatstreue – ausführlich mit den Entwicklungen in Ägypten auseinander. Dabei schwingt die Furcht mit, die Tage von Hosni Mubarak, der sein Land ähnlich lange und mit den gleichen Demokratiedefiziten regiert wie die Herrscher der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken, könnten gezählt sein. Aus Moskauer Sicht steht und fällt der Nahost-Friedensprozess mit Machtkontinuität in Ägypten. Große überregionale Zeitungen wie „Kommersant“ warnen davor, dass sich die Unruhen von Tunesien und Ägypten auf andere Staaten der Region ausbreiten könnten, vor allem auf Jordanien. Das würde aus Sicht hiesiger Medien auch wirtschaftlichen Interessen Russlands Schaden zufügen. Mehrere Blätter weisen auf die Gefahren hin, die Russland und den anderen UdSSR-Nachfolgestaaten drohen, wenn die Moslembruderschaft oder andere radikal-islamische Gruppierungen die Macht übernehmen. Angenommen wird, dass dann Extremisten im Nordkaukasus und in den Muslim-Regionen an der Wolga neuen Auftrieb bekommen könnten. Ebenso die radikalislamische Opposition in Zentralasien, wo Moskau an einem Machtwechsel so wenig interessiert ist, wie in Ägypten.Elke Windisch, Moskau

Israel: Stimmung für Mubarak

Noch nie hatte Ägyptens wackelnder Präsident Hosni Mubarak eine so gute israelische Presse wie in diesen Tagen. Er ist nicht nur für Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und die von diesem zum Schweigen verdonnerten Minister zum Hoffnungsträger und wichtigsten Stabilitätsfaktor geworden. Auch die sonst – mit Ausnahme der größten Gratiszeitung „Israel HaYom“ – den eigenen Regierungschef stets kritisierenden israelischen Medien stimmen dieser Bewertung zu. Insbesondere die USA werden beschuldigt, Hosni Mubarak „in den Rücken gefallen“ zu sein, ihn „hinterrücks gestochen“ oder zumindest „in Stich gelassen“ zu haben. Die nach Kairo entsandten Korrespondenten und Reporter übermitteln dramatische Bilder. Auffallend ist jedoch, dass die Anzahl der Demonstranten in ihren Berichten niedriger ausfällt als in den Berichten anderer Medien. Überrascht sind die Reporter offensichtlich davon, dass die Demonstranten zu ihnen freundlich und nett sind „wie immer“, obwohl sie sich als Israelis zu erkennen geben. Zwar wird die brennende Israel-Flagge gezeigt, doch folgert daraus kein Kommentator, dass man es mit einer israel-feindlichen Masse zu tun hat. Zumindest nicht bis vor zwei, drei Tagen. Seither vermelden die hebräischen Medien zunehmend antizionistische, gar antijüdische Sprechchöre und Spruchbänder. „Yedioth Ahronoth“, Israels größte Bezahlzeitung, bestätigt diese Tendenz am Dienstag mit der Schlagzeile „Verräter, geh nach Israel“, ein Zitat, das auf eine Verwünschung Mubaraks verweist. Charles A. Landsmann, Tel Aviv

Libanon: Twitter für die Jungen

In den Schlagzeilen der libanesischen Medien dominiert die Innenpolitik, nachdem die Regierung Hariris vor zwei Wochen ihre Mehrheit im Parlament an ein Bündnis aus Hisbollah, Christen und Drusen verloren hat und der Sunnit Najib Mikati mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Doch auch aus und über Kairo wird ausführlich berichtet: Interviews mit aus Kairo geflüchteten Libanesen und in Beirut arbeitenden Ägyptern zeigen im Fernsehen die menschliche Seite, während die großen Tageszeitungen eher die regionalen Auswirkungen der Krise analysieren. Wie kritisch dabei die Regierung von Mubarak gesehen wird, hängt von der Positionierung der Zeitung ab. Die dem schiitischen Lager nahe stehenden Medien neigen zu der Seite der Demonstranten, da ihnen die Kooperation Mubaraks mit Israel ein Dorn im Auge ist. Die jüngeren Libanesen aber verlassen sich nicht auf die einheimischen Medien. Sie verfolgen die Ereignisse am Tahrir-Platz entweder auf dem TV-Sender Al Dschasira oder auf Twitter im Sekundentakt. Susanne Fischer, Beirut

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