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Medien: Die Show sind wir

„Gysi und Späth“, die Moderatoren der MDR-Talksendung, finden viel Kritik – was der Quote nicht schaden wird

Von Matthias Meisner

Lothar Späth nimmt den Rummel ziemlich gelassen. Natürlich, weiß er, „rümpfen eine Reihe von Leuten die Nase“, wenn er, erstmals an diesem Montag, gemeinsam mit Gregor Gysi eine neue Talkshow im MDR-Fernsehen moderiert. Doch denen könne er nur sagen: „Ich habe Lust dazu. Ich glaube nicht, dass wir die Probleme Deutschlands damit lösen, dass wir vor allem aufpassen, dass nicht die Falschen miteinander reden.“ Ohne Vorbehalte habe er sich engagieren lassen, versichert der Jenoptik-Vorstandschef und frühere CDU-Politiker: „Ein spannendes Projekt.“

Auch beim Mitteldeutschen Rundfunk ist man eher erfreut als verunsichert darüber, dass die Emotionen im Vorfeld der ersten Folge mit den „Querdenkern“, wie der Sender die beiden Moderatoren ankündigt, so hochgehen. Der Quote der Sendung, die von 22 Uhr 05 an aus dem Leipziger Hauptbahnhof live übertragen wird, kann es jedenfalls nicht schaden. Die Premierengäste heißen Manfred Stolpe (SPD), Minister für Verkehr, Bau und Aufbau Ost, und der früherere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU).

Seit Tagen empören sich Bürgerrechtler und Unionspolitiker. Als „Schönfärber und Schlusslichtprotagonisten“ prangert das Leipziger Bürgerkomitee Gysi und Späth an: „Zuschauern, die einst unter der DDR-Diktatur gelitten haben, ist dieser Doppelpack auf dem Bildschirm nicht zuzumuten.“ MDR-Sprecher Eric Markuse räsoniert, womöglich liege es an Leipzig, dass vor allem die neue Rolle von PDS-Mann Gysi einen solchen Wirbel verursache. Nachvollziehen mag er die Kritik nicht: „Gerade die ehemaligen Bürgerrechtler müssten doch den Wert der Meinungsfreiheit hochhalten.“

Ein Argument, das etwa Arnold Vaatz nicht gelten lassen will. „Jetzt präsentieren sich die Erben derjenigen, die in der DDR die Meinungsfreiheit mit Waffengewalt verhindert haben, als Erfinder der Meinungsfreiheit“, sagt er über die neue Talkshow. „Enttäuscht“ sei er von Späth, betont der ehemalige Bürgerrechtler, heute Fraktionsvize der Union im Bundestag. An seinen Parteifreund appelliert er, auf die Moderation zusammen mit Gysi zu verzichten. Und verbittert schimpft Arnold Vaatz über den MDR, von dessen Intendantem Udo Reiter er „nichts anderes erwartet“ habe: „Er könnte genauso gut Intendant des DDR-Fernsehfunks gewesen sein. Der MDR ist schon öfter dafür eingetreten, alte DDR-Strukturen, die PDS und Stasi-Seilschaften zu stärken und zu rehabilitieren.“

Soviel wird über die Moderatoren einer Talkshow diskutiert, dass es um die Gäste kaum noch geht. Doch nicht nur das könnte „Gysi und Späth“ von vergleichbaren Talkshows unterscheiden, versichert Gysi. Ihm jedenfalls gehe es darum, „politische Entscheidungen hinsichtlich ihrer Folgen für den Osten“ zu beleuchten.

„Die Sendung will Vorurteile aufbrechen, Dialog und nicht Ausgrenzung“, beteuert der PDS-Mann, der sein Engagement beim Mitteldeutschen Rundfunk als eine Art Seitenwechsel interpretiert wissen will. „Wir wollen einen kleinen Beitrag leisten, um zu zeigen, dass die Situation in den neuen Bundesländern viel differenzierter ist, als es zum Teil wahrgenommen wird. Und vielleicht überraschen wir ja auch die kritischen Zuschauer positiv.“

Womöglich wird auch Thüringens CDU-Ministerpräsident Bernhard Vogel vor dem Bildschirm sitzen. Schon im vergangenen Dezember hatte er unter Hinweis auf Gysis Stasi-Verstrickung gegen die Sendung interveniert. Doch der MDR-Rundfunkrat ließ Vogels in einem Brief an Intendant Reiter geäußerte Bedenken abprallen. Sachsens Regierungschef Georg Milbradt jedenfalls wollte es Vogel nicht nachtun – und verzichtet vor der Ausstrahlung auf einen kritischen Kommentar zur neuen Sendung. Aus der Dresdner Staatskanzlei verlautet, der MDR habe nach dem Vogel-Brief schon deshalb „die Talkshow machen müssen, um seine Staatsferne unter Beweis zu stellen“.

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