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DIE USCHI-SEITE: Frau im „Spiegel“

Vorne harte Kost, hinten süße Belohnung: Die Personalienseite des Hamburger Nachrichtenmagazins

Mit großen Augen schaut Elena Anaya, 34, die Leser an, leicht gelockt fallen ihre Haaren auf die nackten Schultern, ihr Oberteil ist so knapp geschnitten, dass die Brustwarzen gerade noch bedeckt sind, die Lippen hat sie leicht geöffnet, alles sehr verführerisch. Aber Elena Anaya ist nicht etwa eines der Mädchen auf Seite eins der „Bild“-Zeitung, sondern abgedruckt im seriösen „Spiegel“ – allerdings am Ende des Heftes, denn natürlich muss in einem Nachrichtenmagazin erst die harte Kost kommen, bevor es die süße Belohnung gibt.

Personalien heißt die Doppelseite, auf der bunte Meldungen zu Politikern, Bürgerrechtlern, Schauspielern, Künstlern oder Models in kurzen, unterhaltsamen Texten zusammengefasst werden. Seit der ersten „Spiegel“-Ausgabe am 4. Januar 1947 gehört sie mit zum Heft. „Die Idee dahinter ist, unseren Lesern zum Schluss etwas leichteren Stoff zu bieten, im Blatt gibt es genügend schwere Themen“, sagt „Spiegel“-Sprecher Hans-Ulrich Stoldt.

Das Layout wurde über die Jahre hinweg verändert, heute gehören ein bis zwei große Fotos zur Aufmachung – fast immer sind es hübsche, junge Frauen, gerne darf Haut zu sehen sein. Aber so nackt wie die „Bild“-Mädchen sind die „Spiegel“-Damen nie. Intern sollen sie früher bisweilen „Uschis“ genannt worden sein, heute werden sie ganz neutral nur noch als „Aufmacher“ bezeichnet. Welches Foto zum Aufmacher wird, hängt von der Güte der Bilder ab, nicht nur der Qualität der Fotos, sondern auch vom Aussehen der Kandidatinnen. Außerdem muss zum Bild eine interessante Geschichte erzählt werden können. Bei Schauspielerin Elena Anaya war es die physiologische Besonderheit, zwei unterschiedlichen Augenfarben zu haben: das eine braun, dass andere grünbraun. Zwar war der Unterschied im „Spiegel“ nicht zu erkennen, das Foto sah aber trotzdem hübsch aus.

Doch es sind nicht nur Frauen, die groß aufgemacht werden. Immer wieder gibt es auch Männer mit einem smarten Lächeln oder gut gebautem Oberkörper auf der Doppelseite zu sehen, so wie zuletzt den Hip-Hopper René Pérez Joglar, 31, was vielleicht daran liegt, dass die Personalienseite seit drei Jahren von einer Frau gemacht wird: Katharina Stegelmann, 42, ist für die Auswahl und Gestaltung zuständig. Anregungen für passende Kandidatinnen bekommt sie von allen Redakteuren im In- und Ausland. Das letzte Wort haben die beiden Chefredakteure Mathias Müller von Blumencron und Georg Mascolo. Und die dürften wissen, dass die Leser des „Spiegels“ vorwiegend männlich sind und lieber Anna Netrebko im dekolletierten Kleid als Johnny Depp mit aufgeknöpftem Hemd sehen wollen. „Außerdem lässt sich ein Johnny Depp nicht so oft und so gut fotografieren wie eine Anna Netrebko“, sagt Katharina Stegelmann.

Besondere Reaktionen der Leser auf die abgebildeten Damen und Herren gab es laut Stoldt bisher noch nicht, Briefe kommen eher zu den anderen Geschichten im Heft. Sicher dürfte allerdings sein, dass sich einige Leser, bevor sie sich an die harte Kost aus Wirtschaft und Politik machen, erst dem „Nachtisch“ widmen.

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