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1. Mai: Die Twitter-Community macht frei

Der 1. Mai mit seinen zahlreichen Veranstaltungen, Partys und Krawall-Brennpunkten scheint eigentlich ideal zu sein für ein Twitter-Gewitter voller Eindrücke und Beschreibungen. Doch es herrschte Sendepause im Zwitscher-Kosmos.

Es war ruhig am 1. Mai. Regelrecht still. Nein, nicht am Morgen, als die NPD mit 300 Mann in Köpenick aufmarschierte und sich 1500 Gegendemonstranten gegenübersah. Auch nicht am Nachmittag, als auf dem Myfest richtig gefeiert wurde und sich ein buntes Volk mit der Mayday-Parade durch Mitte bewegte. Und erst recht nicht am Abend, als es am Kottbusser Tor zu einem gewaltvollen Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Autonomen kam. 

Nein, ruhig war es dort, wo normalerweise alles zum Thema wird, was vor der Haustür passiert und den Einzelnen beschäftigt - im Internet. In der sonst so umtriebigen Twitter-Gemeinde herrschte am Maifeiertag Sendepause. Dort, wo normalerweise mit 140 Zeichen kleinste Begebenheiten, besondere Details, der Hauch eines Gefühls oder der schlichte Status Quo sein Publikum findet, gab es am 1. Mai kaum etwas zu lesen.

Auf den ersten Blick wirkt dies erstaunlich, denn gerade der 1. Mai in Berlin scheint wie gemacht für kurze Beschreibungen der tausendfachen Eindrücke, die in der Millionenmetropole an diesem Tag zu finden sind. Doch Tweets – so heißen die kurzen Nachrichten - wie "Stress am kotti. Team green auf jagd", "Zurück von der straßenschlacht aus Kreuzberg" oder "Auf zum Myfest in kreuzberg. Gutes Wetter, Essen und Musik, Yeaah!" hat es vergleichsweise wenige gegeben. Auch aus anderen deutschen Städten hörte man nur leises Gezwitscher.

Direkter menschlicher Kontakt statt digitaler Kommunikation

Das mag vor allem daran liegen, dass in Deutschland das Twittern per simpler SMS zwar möglich ist, allerdings 50 Cent pro verschickter Nachricht kostet. Wer hierzulande "zwitschern" möchte, tut dies daher meist direkt kostengünstiger über die Twitter-Homepage. Sprich: Entweder vom Laptop oder PC aus oder über ein internetfähiges Handy, mit dem er komfortabel  - und meist per Flatrate günstig - surfen kann. Und das Surfen mit dem Handy steckt in Deutschland eben noch in den Kinderschuhen.

Die Grenzen des boomenden Microblogging-Trends zeigen sich offenbar bei Outdoor-Events wie dem 1. Mai. Das feierfreudige Partyvolk ebenso wie die gewaltbereiten Krawallmacher konzentrierten sich lieber auf den direkten menschlichen Kontakt als auf den digitalen. Getwittert wurde hauptsächlich von Medien, die ihre Reporter - technisch bestens gerüstet - vor Ort positioniert hatten. Sie informierten, wie auch tagesspiegel.de, ihre User regelmäßig darüber, was gerade wo passierte.

Häufig funktionierte dieser Informationsfluss aber auch schon genau anders herum: Bei den Anschlägen in Bombay im vergangen Jahr oder der Notlandung der Passagiermaschine im New Yorker Hudson-River in diesem Jahr waren es die Menschen vor Ort, die rasend schnell die Geschehnisse über Twitter verbreiteten – und die Medien zitierten sie. Am 1. Mai beherrschten nun ausnahmsweise einmal die Medien den Twitter-Kosmos und sorgten für ein leises Grundrauschen. Die Twitter-Community machte Pause. Das muss ja auch einmal gestattet sein - besonders am Tag der Arbeit.

Simone Bartsch

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