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Alte Masche, neue Seiten: Nepper, Schlepper, Internet-Abzocker

Downloads, Hausaufgaben, Routenplaner: Wie man sich gegen betrügerische Online-Abonnements wehren kann.

Keine Frage, Gratissoftware ist eine feine Sache. Dass aber gratis noch lange nicht kostenlos sein muss, dafür sorgen Abzocker-Firmen, die die eigentlichen Freeware-Programme für teures Geld verkaufen wollen. Der Trick ist meist der gleiche. Auf der Suche nach OpenOffice, Adobe-Reader oder Avira-Schutzsoftware gerät man über Google gerne an Portale wie www.download-service.de. Auf der Hauptseite ist der Hinweis, dass mit dem Herunterladen ein Zweijahres-Abonnement für acht Euro pro Monat zustande kommt, noch deutlich zu sehen. Diesen bekommt man aber später so deutlich nicht mehr zu Gesicht, weil man von Google aus direkt auf die Unterseiten der Download-Programme weitergeleitet wird. Dort findet sich der Kostenhinweis nunmehr nur noch im Bonsaiformat wieder. Wer nun etwa im naiven Glauben auf Updates und Aktualisierungen seinen richtigen Namen eingibt, erlebt wenige Wochen später eine Überraschung, wenn eine Zahlungsaufforderung des Webseiten-Betreibers Content4u elektronisch ins Haus flattert. Zur Vermeidung von Mahnkosten wird die Begleichung der ersten Jahresrate von 96 Euro innerhalb von zehn Tagen gefordert.

Der Anbieter ist nur einer von vielen. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat in einer Liste über 250 Webadressen gesammelt, auf denen mit Downloads, Hausaufgabenhilfen, Frei-SMS, Astrologie, Basteln, Navigation bis hin zu Gehaltsrechnern, Grußkarten und Gedichten alle Themen missbraucht werden, um arglose Internetnutzer in teure Abofallen zu locken. Ein Auszug findet sich im Kasten auf dieser Seite. Die ausführliche Liste enthält zusätzlich konkrete Hinweise, an welche Bank oder Sparkasse Beschwerdeschreiben zu richten sind oder welche Anwälte Musterverfahren vorbereiten. Um zu prüfen, ob eine Adresse zur Abzockliste gehört, wird am besten die Suchfunktion mit der Tastenkombination Strg+F gedrückt und danach die Adresse der Seite ohne führendes www und ebenfalls ohne die Domainendung (.de, .com, .net) eingegeben.

Content4u gehört zum sogenannten Frankfurter Kreisel, einem Firmenkonglomerat in der Hand von Michael Burat. In den vergangenen Jahren ist es Burat immer wieder gelungen, mit verschiedenen Internetdiensten unter anderem zur Berufswahl oder zu Haustieren ahnungslose Surfer zu verhängnisvollen Mausklicks zu verführen. Inzwischen ist die Justiz aktiv geworden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat eine Anklage wegen Betrugs zugelassen, weil in einem vom Burat betriebenen Routenplaner-Portal der Hinweis auf die 59,95 Euro Kosten bewusst so gestaltet gewesen sein soll, dass Nutzer ihn übersehen. In Hamburg hat die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Haftbefehle gegen ähnliche digitale Gelddrucker samt kontoführenden Strohmännern wegen des Verdachts auf bandenmäßigen Betrug erlassen. Eine der Abzockermafia immer wieder mit kreativen Drohschreiben aushelfende Inkassoanwältin wurde bereits von einem Karlsruher Gericht verurteilt. Gerade dieses Urteil wird unter Juristen und Verbraucherschützern als richtungweisend angesehen. Dennoch ist es nach Meinung von Rechtsanwalt Marc Oliver Giel aus Dieburg für eine allgemeine Entwarnung noch zu früh. Auf entsprechend verbraucherfreundlich eingestellte Zivilrichter würde der auf Internetrecht spezialisierte Anwalt nicht automatisch hoffen, hat doch das Amtsgericht Aschaffenburg mit der Begründung „Nur wer blind ist (...) kann diesen Kostenhinweis nicht wahrnehmen“, noch am 21.Juli 2010 für einen Abo-Fallensteller entschieden. So rät Giel, den bisherigen Schriftverkehr sorgfältig zu prüfen. Im Online-Handel sind Anbieter in der Pflicht, auf das generelle Widerrufsrecht hinzuweisen, per E-Mail oder auf Papier. Erst dann wird die Bestellung überhaupt wirksam. In den AGBs versteckte Widerrufshinweise sind vor Gericht durchaus strittig. „Wenn man nun innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Widerrufsbelehrung und der Informationspflichten den Widerruf seiner Bestellung erklärt, ist man vor Gericht ganz gut gerüstet. Auch sollte man von der Anmeldeseite noch einen Screenshot machen“, so Giel.

In jedem Falle sollte man auch die bei der Zahlungsaufforderung angegebene Bank darüber informieren, welchen „Partner“ sie sich eingehandelt hat. Solche Unternehmen suchen sich besonders häufig Sparkassen und Volksbanken aus. So ist etwa in der Zahlungsaufforderung von Content4u als Bankverbindung die Sparkasse im mecklenburgischen Demmin angegeben. Ruft man dort an, erhält man vom kontoführenden Institut den Rat, am besten gleich zur Polizei zu gehen.

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat ebenfalls viele wichtige Tipps zusammengefasst. Am wichtigsten: „Zahlen Sie nicht! Bleiben Sie stur! Lassen Sie sich nicht von Inkasso- oder Anwaltsbriefen unter Druck setzen!“, raten die Verbraucherschützer. Zuvor sollte man allerdings Widerruf gegen die Forderung eingelegt haben. „Teilen Sie der Firma einmal mit, dass kein Vertrag besteht und erklären vorsorglich den Widerruf“, so der Rat. Dazu wird ein entsprechender Brief verfasst, der dem Anbieter als Einschreiben mit Rückschein oder als Einwurf-Einschreiben zugestellt wird. Die Hamburger Verbraucherzentrale stellt dazu auf ihrer Webseite einen juristisch wasserdichten Musterbrief zur Verfügung. Fehlt auf der Betreiberseite eine postalische Adresse, wird der Widerruf per Mail oder Fax verschickt. Wichtig ist dann, die Sendebestätigung auszudrucken und aufzubewahren. Ruhe wird man danach zwar nicht sofort haben, da nun zumeist Mahnungen und Drohungen von Inkasso-Unternehmen folgen. Tatsächlich tätig werden muss der gebeutelte Internet-Nutzer aber erst wieder, wenn ein gerichtliches Mahnschreiben ins Haus flattert – was allerdings bei den Abzock-Firmen so gut wie nie passiert.

Tipps, Liste und Musterbrief unter Suchwort „Abofallen“ bei der Verbraucherzentrale Hamburg:

www.vzhh.de

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