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Die Zukunftsvision, per Smartphone persönliche Informationen über jemanden zu ermitteln, ist gar nicht so unrealistisch.

© www.matthewbuckland.com

Augmented Reality: Das magische Monokel

Eine Berliner Konferenz erkundet Chancen und Risiken der „Erweiterten Realität“, die sich wie eine Folie über die physikalische Realität legt.

Eine Party oder eine Konferenz, Menschen stehen beieinander, unterhalten sich. Ein Neuankömmling betritt den Raum, zieht sein Smartphone aus der Tasche und scannt die Anwesenden. Sofort werden auf dem Bildschirm Informationen angezeigt: Namen, Arbeitgeber, Beziehungsstatus, gemeinsame Freunde. Die letzten Facebook- und Twitter-Einträge wären ebenso sichtbar wie der Musikgeschmack. Mit einem Klick wäre alles klar. Für einige ist es eine spektakuläre Vision, die der Internetentwickler Matthew Buckland in seiner Studie zur „Zukunft des Social Networking“ präsentiert. Für andere ein Albtraum.

Technisch zumindest ist die Vision nicht mehr weit entfernt. Das unter Internet-Avangardisten derzeit am heißesten diskutierte Thema heißt „Augmented Reality“ (AR). Man sollte sich diesen englischen Begriff merken, denn schon bald wird die Nutzung dieser „Erweiterten Realität“ so normal sein wie heute das Tippen einer SMS – so prognostizieren es zumindest die Entwickler der AR-Technologie.

Vieles ist schon heute möglich. Liegen entsprechend aufbereitete Daten vor und ist ein AR-Programm installiert, können Smartphones anzeigen, wo sich U-Bahn- Stationen, Kinos, Geschäfte und Sehenswürdigkeiten befinden. Nach einer Formulierung des Netzjournalisten Mario Sixtus wird das Handy durch AR-Anwendungen zu einem „magischen Monokel“, das eine „Folie“ aus online abrufbaren Informationen über die physische Realität legt. Meist ist hier das satellitengestützte Ortungssystem GPS die Grundlage, neuere Technologien arbeiten aber auch schon mit Objekterkennung. So vergleicht die Google-Software Goggles Handyfotos der Nutzer mit Bildern aus dem Internet und liefert Links zu passenden Informationen – etwa bei Wikipedia.

Noch ist die neue Technologie in Entwicklung. Überall auf der Welt wird geforscht, es gibt verschiedene Standards und Systeme, etwa Googles Android und das Betriebssystem des iPhone. Der AR-Visionär Dan Romescu will nun die Szene zusammenbringen. Aus der Kakofonie will der gebürtige Rumäne „eine Melodie“ machen. Am 23. und 24. April organisiert er im Berliner Ludwig-Erhard-Haus die erste europäische Konferenz zum Thema „Erweiterte Realität“. 24 internationale Referenten sind zu der kostenpflichtigen Veranstaltung eingeladen, Romescu rechnet mit 200 Teilnehmern. Dass die neue Technologie auch Schattenseiten hat, weiß Romescu. Selbst wenn alle persönlichen Daten beim eingangs beschriebenen Personen-Scan von den betroffenen Personen als öffentlich gekennzeichnet werden müssen, um angezeigt zu werden, bleiben berechtigte Sorgen um die Privatsphäre.

Mit einem von dem Berliner Technologieanalysten Willi Schroll übernommenen Konzept des „Erweiterten Bürgers“ will Romescu dieser Situation begegnen. „Wir leben in der physischen Welt und nutzen die Vorteile der digitalen Welt – es sollte nicht umgekehrt sein“, sagt er. AR-Nutzer dürften von der Industrie nicht einfach „erweiterte Kunden“ gesehen werden. Auch hierüber soll in Berlin diskutiert werden.

www.arbcon.eu

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