zum Hauptinhalt
302605_0_761f21ba.jpg

© ddp

Medien & KI: Da geht es rund

Ihr Anblick muntert einen auf – und die Arbeit mit ihnen ist wie meditieren: Immer mehr Menschen entdecken Basteln mit Perlen als Herbsthobby

Wer die Aussicht auf herbstliches Schmuddelwetter fürchtet, kann sich antidepressiv wirkende Tageslichtlampen kaufen – oder einen Ausflug ins bunte Glasperlenparadies unternehmen. So wie Susann Preuß und Kati Hielscher. Die beiden Freundinnen Ende zwanzig sitzen an einem langen Holztisch, vor ihnen unzählige Glasschälchen mit glänzenden, silbernen bis knalligfarbenen Perlen, rund, geschliffen oder tropfenförmig. Dazwischen stehen Behälter mit Ösen, Fischerhaken, Nietstiften und Quetschperlen: Zubehör zum Schmuckbasteln. „Wir haben den Laden erst vor sechs Wochen entdeckt, waren seitdem schon mehrmals hier", sagt Susann Preuß, während sie nach einer Perlenkombination für ein Paar Ohrringe sucht.

Hier, das ist die „Perlerei Berlin" in Friedrichshain, ein kleiner Laden für glücklichmachenden Klimbim. Meike Köster hat ihn vor fünf Jahren eröffnet. Die 35-Jährige trägt als einzige Zierde heute eine goldfarbene Klammer im dunklen Haar. Schon als Teenager hat sie Schmuck gebastelt, als Hobby. Und nach einem Bürojob in den USA, einer Friseurausbildung und angefangenem Psychologiestudium festgestellt, „dass ich das einfach zum Beruf machen muss“. In ihrer angenehm klar gestalteten Perlenwerkstatt mit dunkelbraunen Dielen und weißen Vitrinen kann jeder Kunde persönliche Schmuckstücke herstellen, ob verzierten Haarreif, Brosche oder Armband. Wer Hilfe braucht, bekommt kostenlos erklärt, wie es geht.

Während Susann Preuß’ vier Monate alte Tochter Helene munter vor sich hin prustet, fädelt die 27-Jährige eine transparente Perle auf den Nietstift, eine Art Metallstäbchen mit einem Nippel. Sie kürzt ihn und biegt sein Ende mit einer Flachzange zu einer Öse. „Man kann hier locker den ganzen Nachmittag verbringen.“ Ohrringe dauern zwar nicht lange – aber bei einem Paar bleibt es nie. „Perlenbasteln macht einfach Spaß", sagt sie.

Auch deshalb, weil man zugleich so nett mit der Freundin plaudern kann. „Vorher haben wir es mit gemeinsamem Sport versucht, aber das war nix“, lacht Kati Hielscher. Selbstgemachtes kommt gut an, auch als Geschenk. Doch dilettantisch soll es nicht aussehen, daher bieten viele Läden neben Bastelmaterial auch Anleitungen. Wie „Ruth tut gut": Mit viel Liebe zum Detail hat Ruth Willamowski einen Raum ihrer Erdgeschoßwohnung als Ladenatelier gestaltet, mit rosa gestrichenen Dielen und Wänden, einer pinken Couch und zahllosen, längst nicht nur bonbonfarbenen Glasperlen. Die „wickelt“ die 33-Jährige selbst: Mit einer Hand hält sie bunte Glasstäbe vor die Flamme des Perlenbrenners.

Das flüssige Glas wickelt sie um den Edelstahlstab, den sie in der anderen Hand dreht. Geschickt wechselt sie die Farben, setzt mit olivgrün und rubinrot Glaspunkte, ummantelt das Ganze mit mehreren transparenten Glasschichten. Dann taucht sie den Stab in ein Kühlgranulat, wartet – und: Fertig ist eine tropfenförmige Perle mit einem weißen Kern und roten Blüten auf grünen Blättern. Das macht was her.

Die Kunst des Perlenwickelns bringt Willamowski auch ihren Kunden bei, in einem fünfstündigen Kurs. „Viele haben schon Töpfern, Stricken, Filzen und zig andere Handarbeiten durch.“ Doch das ist gar nicht nötig: Perlenwickeln ist ein durchaus laienkompatibles Hobby, das kann man rasch erlernen, schnell trägt man die ersten eigenen Schätze nach Hause. „Und man kann toll abschalten, das ist fast wie meditieren."

Perlen entspannen, das finden auch die Frauen in der Perlerei. An Kati Hielschers Ohr baumelt nun eine große Creole mit türkisfarbenen und weißen Perlen daran. Sie könnten noch stundenlang weiterpfriemeln. Doch diesen Sinn für Muße teilt die kleine Helene noch nicht.

Anna Corves

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false