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Ende einer Wanderschaft: Spiele einer Ausstellung

Was Ludwig Erhard und Lara Croft verbindet: „Mr. Wirtschaftswunder“ gehört ebenso zum Computerspielemuseum in Friedrichshain wie die Pixel-Ikone.

Andreas Lange ist äußerst zufrieden. 2000 Besucher zählte das Computerspielemuseum in Berlin-Friedrichshain am ersten Wochenende nach der Eröffnung am vergangenen Freitag (wir berichteten). Berlin ist seither um eine Attraktion reicher, sogar das kolumbianische Radio hat den Kurator des Museums über die Geschichte der Computerspiele befragt. Zwei Gruppen von Besuchern interessieren sich offenbar besonders für die Welt von Super Mario, Lara Croft und Pac Man. „Die Twenty Somethings gehören selbst noch zu den aktiven Spielern. Allerdings benötigen sie einiges an Vorstellungskraft, um die Faszination der alten Spiele zu erkennen. Die Über-40-Jährigen haben den nostalgischen Blick auf die Technik, deren Beginn sie selbst miterlebt haben“, hat Lange beobachtet.

Das Museum hält geschickt die Balance zwischen Spielhalle und Museumsschaukästen. „Wir wollen zeigen, dass die Computerspiele nicht erst mit Pong anfingen. Der Start der kommerziellen Spiele ist eher die Halbzeit“, sagt Lange. Den eigentlichen Beginn der elektronischen Unterhaltung datiert die Ausstellung auf das Jahr 1951, als der wandgroße Nimrod zuerst in London und dann in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Deutschlands erster Computerspieler war übrigens der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Auf einem Foto sieht man „Mr. Wirtschaftswunder“ vor einer Schalttafel sitzen, streng beobachtet von Bundeskanzler Konrad Adenauer. Mit einem Computer heutiger Bauart hatte das „Elektronen Gehirn“ wenig gemeinsam. Anstelle eines Bildschirms gab es eine Tafel mit Lampen, die mithilfe eines Tastenfeldes im richtigen Moment ausgeschaltet wurden. „Das schmälerte jedoch keineswegs die Faszination, dass nun ein Mensch gegen eine Maschine antreten konnte“, sagt Andreas Lange. In den folgenden Jahren besiegte die Maschine immer häufiger den Menschen – so wie 1997, als sich der russische Schachgroßmeister Gari Kasparow dem amerikanischen IBM-Computer Deep Blue geschlagen geben musste. Das Fernsehen hat diese Faszination bereits früh erkannt und versucht, in entsprechende TV-Formate umzusetzen. „Telespiele mit Thomas Gottschalk“ hieß eine Sendung des SWR von 1977 bis 1981, in der die Kandidaten gegen eine Pong-Weiterentwicklung antraten, wobei das Tennisfeld über das TV-Bild gelegt wurde. Wie weit Computerspiele inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, zeigt aktuell die Neuauflage des Kultfilms „Tron“, aber auch die Anerkennung von Computer- und Videospielen als Kulturgut durch den Deutschen Kulturrat. Dass das Computerspielemuseum nach Jahren der Wanderschaft jetzt in der Karl-Marx-Allee eine feste Bleibe mit einer Ausstellungsfläche von über 500 Quadratmetern gefunden hat, verdankt es nicht zuletzt der Unterstützung durch die Berliner Senatskanzlei. Sie half dabei, dass das Museum aus Lottogeldern und mithilfe von Efre-Mitteln eine Anschubfinanzierung in Höhe von 440 000 Euro erhalten hat. Ab jetzt muss das Museum mit seinen fünf Mitarbeitern auf eigenen Beinen stehen.

So alt wie die Spiele selbst ist aber auch die Kritik an gewalthaltigen Spielen. Im Museum werden zu diesem Thema zwei Ego Shooter gegenübergestellt. Das Spiel „Medal of Honor“ geriet in den USA allerdings nicht wegen seiner gewalthaltigen Inhalte in die Kritik, sondern weil die Spieler darin in die Rolle von afghanischen Taliban schlüpfen können, die GIs töten. Auf der anderen Seite steht der Shooter „1378“, der die innerdeutsche Grenze zum Schlachtfeld macht. Dennoch unterscheiden sich die Konzepte: „Wer als Grenzer einen Republikflüchtling erschießt, wird dafür nicht auch noch belohnt“, sagt Kurator Lange.

So ist das Computerspielemuseum auch kein Museum wie andere. Die Besucher wollen die Faszination quasi am lebenden Objekt erfahren. Doch gerade bei den historischen Exponaten, für die es keine Ersatzteile mehr gibt, ist dies problematisch. „Die reine kuratorische Lehre kann es darum bei uns nicht geben“, räumt Lange ein. Im Pong-Automaten von Atari aus dem Jahr 1972 befindet sich zwar immer noch die Originalplatine, der Monitor musste hingegen längst ersetzt werden. Dies gilt auch für den Pac-Man-Klon „Poly Play“ aus der DDR. Der Automat sieht zwar noch so aus wie das Original, im Innern wird das Spiel jedoch von einer Emulation gesteuert, und auch die hakelige Steuerung wurde ersetzt, ohne dass dies etwas vom Reiz dieses Spielkonzepts nehmen würde.

Von den 2300 Hardware-Exponaten und 16 000 Programmen, die sich im Fundus des Museums befinden, lassen sich in der Ausstellung nur rund 300 zeigen. Und die Entwicklung hört schließlich nicht auf. Derzeit reicht die Wand mit den Spielekonsolen bis zum Jahr 2001. Kurator Lange: „Damit wird kein Schlussstrich gezogen, wie man an den aktuellen 3-D-Konsolen bei uns sieht. Hier war nur einfach die Wand zu Ende.“

Das Computerspielemuseum befindet sich in der Karl-Marx-Allee 93a, 10243 Berlin (U-Bahn U5, Haltestelle Weberwiese). Es hat von Mittwoch bis Montag von 10 bis 20 Uhr geöffnet, das Ticket kostet acht Euro, ermäßigt fünf Euro.

Mehr Informationen unter www.computerspielemuseum.de

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