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Öffentliches Tagebuch. Angemeldete Twitter-Nutzer können eigene Textnachrichten mit maximal 140 Zeichen eingeben. Manchmal machen diese Einträge auch Ärger. Foto: ddp

© dpa

Falsches Bewusstsein: Erste einstweilige Verfügung gegen einen Twitterer

Neue Regeln fürs Internet? Ein Twitter-Nutzer verlinkte auf eine Seite mit offenbar wahrheitswidrigen Inhalten. Nun macht ein Gericht den Nutzer für seine Links haftbar.

Die Debatte über Gegenwart und Zukunft des Internet – das wirkt manchmal genauso schlüssig wie eine Vorhersage über Vulkanausbrüche und Aschewolken. Sicher ist: Das Internet gilt den allermeisten Nutzern immer noch als rechtsfreier Raum. Mal eben einen Film illegal runterladen oder anonym Beleidigungen loswerden – warum nicht? Es merkt ja sowieso keiner. Eine Art Straßenverkehrsordnung, einen Strauß verbindlicher Regeln fürs Internet? Nein, niemals. Von daher ist eine aktuelle Gerichtsentscheidung des Landgerichts Frankfurt von starkem Interesse, die zunächst nur Nutzer von Twitter – die millionenfach genutzte Plattform im Internet zum Versenden von Kurznachrichten– betrifft, die am Ende aber auch Fragen in Sachen stärkere Reglementierung des Internet aufwirft.

Im vorliegenden Fall hatte ein Internetnutzer per Twitter-Eintrag einen Link, also eine Art automatische Weiterleitung, auf eine fremde Webseite gesetzt. Auf dieser Seite waren Behauptungen aufgestellt, mit der eine Firma nicht einverstanden war. Infolgedessen beantragte diese Firma beim Landgericht Frankfurt am Main eine einstweilige Verfügung gegen den Twitterer. Diesem wurde verboten, auf die Webseite zu verlinken. Es fanden sich dort laut gegnerischem Anwalt wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen und wettbewerbswidrige Äußerungen, die der Twitter-Nutzer wider besseren Wissens weiterverbreitet habe. Grundsätzlich sei ein Seitenbetreiber verantwortlich, wenn er bewusst Links zu rechtswidrigen Inhalten setzte, dies gelte auch für Twitter.

Nun sind Abmahnungen und einstweilige Verfügungen wegen Links auf (angeblich) rechtswidrige Inhalte im Internet an sich nichts Neues. Wer wissentlich auf fremde Inhalte mit fragwürdigen Inhalten verlinkt, muss mit zivilrechtlichen Konsequenzen rechnen. In einigen Fällen kann es ausreichen, sich genug von dem Link zu distanzieren. Viele Internetseiten versuchen das mit einem sogenannten Disclaimer, einem Haftungsausschluss. Neu ist, dass ein deutsches Gericht die sogenannte Linkhaftung auf Twitter anwendet, eine der populärsten Plattformen im World Wide Web – und damit möglicherweise ein Exempel statuiert. Und das gerade in jenen Bereichen des Internet, in denen es, ähnlich wie bei Facebook oder StudiVZ, von juristischen Laien und Amateuren, die bedenkenlos drauflosschreiben, nur so wimmelt.

Auch Twitter ist kein rechtsfreier Raum, warnen deshalb Experten für Online-Recht nach der jüngsten Entscheidung. Als Nutzer sollte man davon absehen, auf offensichtlich oder möglicherweise rechtswidrige Webseiten zu verlinken. Für Michael Terhaag, Anwalt für IT-Recht, bedeutet das im Umkehrschluss: Nicht haftbar zu machen ist derjenige, der bei Twitter beispielsweise auf einen Artikel zum Thema Aschenwolke und Flugverbot bei www.tagesspiegel.de verweist, bei dem dann ein anderer Nutzer in der Kommentarfunktion Verkehrsminister Ramsauer heftig beleidigt.

Nutzer von Twitter oder anderen Internet-Plattformen brauchen sich wegen der jüngsten Entscheidung also noch keine allzu großen Sorgen machen. Das Landgericht Frankfurt betonte, der entsprechende Twitter-Account sei „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs“ genutzt worden – nicht privat. Zudem gab es bislang keine Hauptsache-Verhandlung und damit kein echtes Urteil. Dennoch, zum Thema „Internet und rechtsfreier Raum“ darf weiter debattiert werden. Was Inhalte und Links betrifft, ist die Rechtslage für Betreiber von Internetseiten und Blogger schwammig und hangelt sich seit Jahren von einer Gerichtsentscheidung zur nächsten. Das betrifft nicht nur das Internetportal YouTube, auf das die Nutzer täglich Hunderttausende von Videos zum kostenlosen Abruf stellen, sehr zum Unwillen der Musik- und Filmindustrie. Es hat lange gedauert, bis sich YouTube als Plattform dafür hat verantworten müssen.

Dem inkriminierten Twitter-Nutzer könnte sein Link teuer zu stehen kommen. Wenn er nicht gegen die einstweilige Verfügung vorgeht, muss er die Gerichtskosten sowie unter Umständen auch die Anwaltskosten der klagenden Firma bezahlen. Das kann, so Terhaag, schnell ein vierstelliger Betrag werden.

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