zum Hauptinhalt
Kontrolliertes Abnehmen durch regelmäßiges Wiegen, das war schon immer die Aufgabe einer Waage. Die Aria-Waage sammelt darüber hinaus die Gewichtsdaten in einem Online-Profil und errechnet daraus weitergehende Statistiken. Fotos (3): Promo

© Marla Aufmuth

Fitness- und Gesundheits-Tracker: Wenn der Fahrradhelm beim Sturz Hilfe ruft

Der Markt für digitale Gesundheitsgeräte brummt. Doch was bringen W-Lan-Waagen, Schlaf-Apps und gewichtsreduzierende Gabeln wirklich? Ein Praxistest.

Von Hendrik Lehmann

Fitnessarmbänder, drahtlose Pulsmesser, Running Apps. Der Markt für digitale Gesundheitshelfer brummt. Unternehmensberatungen sprechen von einem der weltweit größten Wachstumsbereiche der nächsten Jahre. Nicht zuletzt, weil solche Produkte ein enormes Einsparpotenzial für die Gesundheitssysteme versprechen – durch bewussteres Leben und Früherkennung von Krankheiten. Viele der aktuell erhältlichen Geräte versprechen nicht weniger als ein automatisch besseres Leben. Sie wollen uns helfen, Körpergewicht und Essgewohnheiten zu optimieren, den Schlaf zu versüßen oder sogar Hilfe bei einem Unfall zu rufen. Doch was taugen solche Versprechen in der Praxis? Ein Feldversuch.

EIN FAHRRADHELM, DER MITDENKT

Der Unfallsensor ICEdot soll das Fahrradfahren sicherer machen. Am Helm angebracht sorgt er sich weniger um unseren Leib als um das Leben. Er ist angenehm zurückhaltend im Vergleich zu anderen Gesundheitshelfern. Der kleine gelbe Plastikpunkt lässt sich am Helm befestigen und über Bluetooth mit dem Smartphone verbinden. Fällt der Helmträger vom Rad, löst der Sensor einen Alarm in der Handy-App aus. Wird dieser nicht innerhalb einer zuvor festgelegten Zeit gestoppt, sendet ICEdot eine SMS mit Koordinaten an die vorher angegebenen Notfallkontakte. Direkt an die Notrufzentrale sendet das Gerät nicht. Das Risiko hoher Kosten im Falle von Fehlalarmen sei zu hoch, so der Hersteller. Im Benutzerprofil können zusätzlich medizinische Informationen wie Allergien und Blutgruppe hinterlegt werden. Im Falle eines Unfalls sollen Ersthelfer darauf zugreifen können. Sehr schätzenswert in Zeiten der Datenwirtschaft: Das Unternehmen verkauft nach eigenen Angaben keine Nutzerdaten weiter. Zudem kann genau eingestellt werden, wer auf welche Daten zugreifen kann. Eine sichere Sache, wenngleich der Sensor wohl eher für Sportler sinnvoll ist, die alleine außerhalb der Stadt unterwegs sind. Vorausgesetzt, es gibt dort Handy-Empfang. Der ICEdot kostet 129 Euro und ist unter www.crash-sensor.eu/de/ erhältlich.

EIN PLASTIK-EI HILFT BEIM SCHLAFEN

„Zügig einschlafen und entspannt aufwachen“ verspricht Withings Aura, ein System aus Schlafsensor, Lichtwecker und Smartphone-App. Es misst den Schlaf seiner Benutzer und will sie in der günstigsten Schlafphase aufwecken. Der eiförmige Wecker kommt auf den Nachttisch und wird über W-Lan mit dem Internet verbunden. Der Sensor kommt unter die Matratze und wird per Kabel mit dem Wecker verbunden. Zum Einschlafen erklingt Wellenrauschen aus dem Ei – begleitet von einem abdimmenden Rotlicht: Urlaubsstimmung. Durch die berührungsempfindliche Oberfläche des Weckers kann der Schlafmodus aktiviert, das Licht gedimmt, die Lautstärke geregelt werden. Das fühlt sich futuristisch an. Der gewünschte Weckzeitraum kann jedoch nur über die zugehörige iPhone-App eingestellt werden, per Bluetooth. Morgens wecken mich lauter werdendes Gedudel und blaues Licht. Bunte Statistiken in der App zeigen, wie oft ich in der Nacht aufgewacht bin, wie lange der Tiefschlaf dauerte, wie hell es im Zimmer war und wie warm. Ergebnis der Messflut: Ich schlafe zu wenig. Das wusste ich aber auch schon analog. Withings Aura kostet 299,95 Euro und ist im Elektrofachhandel erhältlich.

KÖRPERGEWICHT PER W-LAN

Raus aus dem Bett, rauf auf die Waage. Fitbit ist mit seinen Fitness-Armbändern bekannt geworden. Um sein digitales Diätprogramm zu vervollständigen, hat der Konzern die Waage Aria auf den Markt gebracht. Beim Auspacken erscheint ein Warnaufkleber: Für Schwangere, Kinder unter zehn Jahren und Träger von Herzschrittmachern nicht geeignet. Das könnte der Nutzung in der Familie im Wege stehen. Eine weitere Hürde im Gebrauch: Die schicke Glasoberfläche wird rutschig, wenn sie nass ist. Also aufgepasst nach dem Duschen! Wie schon Aura, funktioniert auch Aria ausschließlich mit W-Lan-Verbindung und hat keinen Ausschaltknopf. Und auch hier werden alle Messungen direkt in die Cloud geladen. Im Online-Benutzerprofil gibt es dann wieder bunte Statistiken: Gewichtsveränderungen, Körperfettanteil und Body-Mass-Index. Absolut unverständlich aber ist: Die Daten über den eigenen Körper können nicht kostenlos von Fitbit wieder heruntergeladen werden. Dazu muss eine zusätzliche Premium-Mitgliedschaft abgeschlossen werden – für 44,99 Euro im Jahr. Fitbit Aria kostet 119,95 Euro und ist erhältlich im Elektrofachhandel.

Ein wachsamer Tischgenosse mit Bluetooth. Wer zu schnell isst, wird mit Vibrationen abgestraft.
Ein wachsamer Tischgenosse mit Bluetooth. Wer zu schnell isst, wird mit Vibrationen abgestraft.

© promo

EINE GABEL FÜR LANGSAMES ESSEN

Statt beim Gewicht, setzt die Gabel 10SFork der französischen Firma Slow Control einen Schritt vorher an: beim Essen. Sie misst die Geschwindigkeit jedes Bissens und warnt durch Lichtsignale und Vibration, wenn die Happen zu schnell im Mund verschwinden. Die Firma wirbt damit, dass eine Vielzahl von Magenkrankheiten und Gewichtsproblemen von zu schnellem Essen verursacht wird. Je früher richtiges Essen trainiert wird, desto besser. Zur Zielgruppe gehören daher übergewichtige Kinder. Die könnten mithilfe der Gabel frühzeitig zum langsamen Essen erzogen werden. Auf der App kann live beobachtet werden, wie viele Happen pro Minute verspeist werden. Die voreingestellte ideale Essgeschwindigkeit beträgt zehn Sekunden pro Bissen. Das ist unerwartet lang, bei jeder Verfehlung vibriert die Gabel unangenehm im Mund: Die Mittagspause wird zwangsweise verlängert. Hinterher wieder Statistiken. Online können die sogar in einer Art Essensfacebook mit Abnehmpartnern oder dem gesamten Internet geteilt werden, für noch mehr Motivation. Fazit: Wer einen unangenehmen Überwacher beim Abnehmen sucht, könnte an dem intelligenten Besteck durchaus Gefallen finden. Nur eine Frage bleibt: Wer bitte isst Fastfood mit der Gabel? Die 10SFork kostet 79 Euro und ist über www.soul-fit.de erhältlich.

FAZIT: WER VIEL MISST, MISST VIEL MIST

Nach zwei Wochen Test ist die halbe Wohnung verkabelt und unzählige Nachrichten auf dem Handy-Display loben, mahnen und verkünden beständig Details über mein Leben. Die Freundin droht, sie werde künftig woanders übernachten, wenn das „esoterische Gedudel“ des Weckers nicht umgehend aufhöre. Ich gebe ihr recht. Auch ausgeschlafener bin ich nicht. Es ist faszinierend, all die Statistiken über den eigenen Schlaf, die Essensgeschwindigkeit und sein Gewicht zu betrachten, wie eine Facebook-Timeline des eigenen Körpers. Aber genau dort hört es auch schon auf. So, wie man sich ärgert, sinnlos auf Facebook umherzuscrollen, anstatt Freunde zu treffen, ärgert man sich, seinen Schlafrhythmus zu betrachten, anstatt zu schlafen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false