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A message to you, Google. Mathias Döpfner sitzt dem Vorstand bei Springer vor und sorgt sich um wirtschaftliche wie politische Gefahren, die vom amerikanischen Suchmaschinen-Giganten ausgehen.

© dpa

Google, Döpfner, Jarvis: Ein bisschen German Angst kann nicht schaden

Google flößt Mathias Döpfner Furcht ein, die er in einem "Offenen Brief" äußert. Dafür kritisiert Internet-Experte Jeff Jarvis den Springer-Chef. Doch Döpfner trifft einen Nerv.

Von Markus Hesselmann

Die Internet-Angst erfasst uns in Wellen. Noch vor nicht sehr langer Zeit war es die angeblich ausufernde Cyberkriminalität, die dem Bürger zu schaffen und sich auf "Spiegel"- und "Stern"-Titeln breit machte. Davon ist derzeit weniger lautstark die Rede. Das Problem wurde in die Ausschüsse verwiesen. Und da gehört es auch hin, denn im liberalen Staat bleibt uns nur die zähe Kleinarbeit anstelle des großen, diktatorischen Schlags zur Überwindung alles Bösen. Wichtig war darüber hinaus, dass es eine Gegenbewegung gab. Aufmerksame Bürger verteidigten die Freiheit des Netzes gegen vorschnelle Ideen wie Internetsperren. Das digitale Netz blieb bei uns weitgehend unversperrt, glücklicherweise.

Nun sind es nicht mehr so sehr die Bösen, sondern die vermeintlich Guten, die uns bedrohen, Institutionen des liberalen Staats selbst. Geheimdienste, deren Aufgabe es eigentlich ist, daheim und im Ausland vor totalitären Tendenzen zu warnen, wenden gegen die eigenen Bürger und Bürger befreundeter Länder Instrumente an, die selbst als totalitär empfunden werden. Der Skandal um den US-Geheimdienst NSA und dessen flächendeckende Überwachung digitaler Kommunikation hat auch (oder gerade) vormalige Internet-Euphoriker nachhaltig daran zweifeln lassen, dass das Internet nun wirklich so segensreich ist. In Deutschland ging die Debatte so weit, das Netz erst einmal als „kaputt“ hinzustellen.

Doch auch hier wirkte der Dissens. Die liberale Dialektik, dass Protest letztlich die Demokratie stabilisiert, funktioniert bis auf Weiteres. Es wurden sogar neue Leitfiguren geboren wie der Whistleblower Edward Snowden und der Journalist/Aktivist Glenn Greenwald, die den NSA-Skandal enthüllten.

Mathias Döpfner schrieb den Brief an Google-Chef Eric Schmidt

Dass auch solche Leitfiguren nur Menschen sind, bewies gerade in der zurückliegenden Woche Snowden mit einem Auftritt in Moskau, der womöglich gut gemeint war, aber zunächst einmal dem Autokraten Wladimir Putin propagandistisch zugute kam. Das ist schlecht, aber es hat auch ein Gutes: Der Heldenkult, demokratischem Diskurs niemals zuträglich, zerfällt nun auch im Fall Snowdens im Gewitter der Meinungen.

Unterdessen betrat Mathias Döpfner die Bühne im Theater der Angst. Ausgerechnet ein Unternehmen, in der kapitalistischen Gesellschaft vom Grundsatz her auch eher für das Gute, Produktive zuständig, flößt dem Konzernlenker Furcht ein. „Wir haben Angst vor Google“, schreibt der Vorstandsvorsitzende des Springerverlags in einem „Offenen Brief“ an Google-Chef Eric Schmidt, den die „FAZ“ veröffentlicht hat.

Döpfner hält Google mit seiner Monopolstellung als Suchmaschine und ungebremsten Expansion in Bereiche der Robotronik, der Hausgeräte- oder Gesundheitstechnologie für eine globale Gefahr. Zu viel Macht für wenige Macher, das sei nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch gefährlich, so lautet der Kernpunkt seiner Kritik. Dass er diese Macher als Unternehmer bewundert, gibt Döpfner offen zu. Dass er mit seinem Unternehmen, „dem größten unter den Kleinen“, gern einer von ihnen wäre und die Dinge dann womöglich anders sähe, lässt sich aus dem seitenlangen, ziemlich ehrlich wirkenden Pamphlet zumindest herauslesen.

Als Anwalt des Nutzers, Verbrauchers, Wählers taugt so einer kaum. Aber Döpfner trifft doch einen Punkt, wenn er auf die Hilflosigkeit der öffentlichen Institutionen in Europa verweist und angesichts des Google-Monopols verstärkt behördliche Interventionen fordert wie etwa bei Microsoft. Adressat des Briefs ist offensichtlich nicht nur Google. Auch die EU-Behörden dürfen sich angesprochen fühlen.

Jeff Jarvis fällt in die Zeiten vorm NSA-Skandal zurück

Zwischenzeitlich wird Döpfner visionär. Google gelte als Unterstützer „riesiger Schiffe und schwimmender Arbeitswelten“, die „auf offenem Meer, also in staatenlosem Gewässer, kreuzen und operieren können“, fantasiert der Medienmanager. Fantasiert? Dass Geheimdienste nicht nur in der Lage sind, die digitale Kommunikation weltweit mitsamt der mobilen Telefone befreundeter Spitzenpolitiker zu überwachen, sondern dies auch routinemäßig machen, hätten wir vor kurzem auch noch als Verschwörungstheorie abgetan.

Und so irrt denn der amerikanische Großblogger Jeff Jarvis, wenn er sich in einem Reflex, der sich wie ein Rückfall in die Zeiten vor dem NSA-Skandal liest, gerade über solche Döpfnerschen Visionen lustig macht und das alte Bild der Deutschen als risikoscheu und wettbewerbsfeindlich wieder heraufbeschwört.

Dabei galten die Deutschen einstweilen, auch für Jarvis, in ihrem Protest gegen die NSA und deren unternehmerische Komplizen sogar als vorbildlich. Während die angelsächsische Öffentlichkeit vergleichsweise verhalten auf die Enthüllungen reagierte, obwohl sie aus ihrer Mitte kamen.

Am Ende hilft Panik im Umgang mit dem Netz und seinen großen wie kleinen Akteuren genauso wenig wie Euphorie. In zähem Diskurs müssen wir für das Internet eine demokratisch legitimierte und wirtschaftlich produktive Struktur erarbeiten. Ein bisschen German Angst kann dabei nicht schaden.

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