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Google-Ranking: In Hamburg wohnt der Zeitgeist

Ist der Zeitgeist ein recht langweiliger und bräsiger Geselle? Helmut Schümann fragt sich, warum Hamburg im deutschen Google-Ranking so weit vorn liegt - vor Berlin.

Der Mensch ist ein Suchender. Man könnte sagen, es sucht der Mensch, so lang er strebt. Er verlegt Sachen, dann sucht er sie. Er sucht nach mhmm, na, äh, ja, nach Worten. Er sucht andere Menschen. Sie auch. Vor lauter Suchen kommt der Mensch kaum noch zum Finden, wie gut, dass uns Suchmaschinen viel Sucharbeit abnehmen. Zwar sagen sie uns nicht, wo die zweite Socke ist oder wo wir den vermaledeiten Schirm haben liegen lassen, wenn wir im Pladderregen stehen. Aber wenn man die Suchmaschine fragt, was die Menschen so im Laufe eines Jahres alles suchen, dann sagt sie uns, was der Zeitgeist ist. Google, die größte ihrer Art, hat das jetzt wieder getan und den Zeitgeist 2009 anhand der häufigsten Suchbegriffe herausgefiltert. Dass Youtube, die Seite, die gerne die Schadenfreude bedient, am häufigsten geklickt wird, ist nicht überraschend. Auch der virtuelle Markt von Ebay leuchtet ein, ebenso die Anfrage ans künftige Wetter. Aber wie und warum landet auf Platz fünf der Top Ten aller in Deutschland eingegebenen Suchbegriffe Hamburg? Ham. . . wer? Hamburg.

Nicht Berlin, nicht München, es ist Hamburg. Dabei hat Hamburg im Netz gar nicht so viele Einträge. Gibt man Hamburg bei Google ein, findet das Netz mal gerade 23.600.000 Links, lächerlich im Vergleich zu Berlin, wo in Sekundenschnelle 46.600.000 Einträge zusammenkommen. Es gab kein besonderes Event in Hamburg im ablaufenden Jahr, keine exklusive außerordentliche Ausstellung, kein anderes irgendwie geartetes Alleinstellungsmerkmal, keine Wahl, der HSV wurde nicht Meister, Helmut Schmidt nicht Kanzler – aber 90 Jahre, doch ob das die Leute in Scharen nach Hamburg suchen ließ? Mehr als nach gmx, Facebook oder Wikipedia. Es gab zum Glück keine Sturmflut, keinen Amoklauf, keinen Ausschlag nach oben und keinen nach unten. Was hat Hamburg, was Berlin nicht hat? Keine Ahnung, aber offensichtlich findet sich in Hamburg der Zeitgeist wieder. Demnach ist der Zeitgeist an fünfter Stelle kühl, nebelig, nass, teuer, leicht hochnäsig, pfeffersäckisch, andererseits auf den großen Schiffen etwas weltmännisch, aber nach der Befriedung der Hafenstraße und der Verbürgerlichung der Reeperbahn kaum mehr anarchisch und gar nicht mehr verrucht. Demnach ist der Zeitgeist ein recht langweiliger und bräsiger Geselle, der Udo Lindenberg hört und Dieter Bohlen guckt und den „Stern“ liest. Versteh einer den Zeitgeist.

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