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© foto: dpa

Handy-Fernsehen: „Dr. House“ in der S-Bahn

Dämpfer für das Handy-TV-Konzept. Medienanstalten fordern Nachbesserung, denn bisher sei das Projekt wirtschaftlich nicht tragbar.

Fernsehen im Fernseher, Fernsehen beim Public-Viewing, Fernsehen im Computer, Fernsehen im Laptop, aber das hat noch gefehlt: Fernsehen auf dem Handy, flächendeckend. Im Berliner Hauptbahnhof einsteigen und die RTL-Serie „Dr. House“ ganz entspannt bis Hamburg verfolgen. Und in der S-Bahn gleich danach die „Tagesthemen“. Diverse Sender, Betreiber, Verlage und Telekommunikationsdienste hoffen, dass solche japanischen und koreanischen Verhältnisse – dort nutzen über 40 Millionen Menschen Handy-TV – auch auf uns zukommen. Diesen Erwartungen hat die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) am Mittwoch aber erst mal einen Dämpfer versetzt. Das vorliegende Handy-TV-Konzept des potenziellen Anbieters Mobile 3.0 konnte offenbar nicht überzeugen. Der Firma wurde eine Fristverlängerung gesetzt.

Nach Angaben von Mobile 3.0, einem Konsortium aus Mobiles Fernsehen Deutschland (MFD) und Neva Media (hinter dem auch Hubert Burda Media sowie die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck stehen, der der Tagesspiegel angehört), gebe es „ungeklärte Rechteverhältnisse auf Veranstalterseite“. Außerdem stehe die Einbindung „des Programmangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in ein wirtschaftlich tragfähiges Gesamtkonzept“ aus. Die Landesmedienanstalten setzen Mobile 3.0 eine Frist bis zum 31. Dezember, um ausstehende Unterlagen vorzulegen. Sollte dies nicht gelingen, würde die Grundlage für ein erfolgreiches Pilotprojekt mit dem in Aussicht genommenen Bewerber entfallen. Damit wäre auch der Start des DVB-H-Projekts zur Fußball-Europameisterschaft 2008 gefährdet.

Handy-TV sollte hierzulande Mitte 2008 mit der Fußball-EM und den Olympischen Spielen in Peking zum Durchbruch verholfen werden. Nun rechnen Insider frühestens mit einem Geschäft zu Weihnachten 2008, manche sagen sogar: Handy-TV startet erst durch mit der Fußball-WM 2010. Ein paar Tausend mobile Flimmerkisten gibt es zwar bereits, aber die Übertragungstechniken per UMTS-Netz und per DMB (Digital Multimedia Broadcasting) sind zu vielen Einschränkungen unterworfen. Nicht der so genannte DVB-H-Standard, der eine flächendeckende Versorgung mit Programmen auf dem Handy ermöglichen könnte. Damit sagen Marktforscher dem neuen Handyfernsehen goldene Zeiten voraus. 2012 sei ein Umsatz von 655 Millionen Euro realistisch, heißt es in einer Studie der Beratungsfirma Goldmedia. Andere Branchenexperten rechnen mit einer Nutzerzahl von fünf Millionen.

Ein lukratives Feld. Aber erst mal muss eine Einigung darüber erzielt werden, wer wie und vor allem was auf dem Handy senden darf. Stichwort Urheberrecht. Offenbar ist unklar, ob all die attraktiven Programminhalte – Serien, Sport, Unterhaltung – überhaupt aufs Handy übertragen werden dürfen. Da müsse im Einzelnen zwischen Sendern und Rechteinhabern wie zum Beispiel der Rechteagentur Sportfive nachverhandelt werden, sagt Hans Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, dem Tagesspiegel. Bei Lizenzproduktionen seien lediglich für die Fußball-EM seien Handy-TV-Rechte mitvergeben wurden.

Streitpunkt dürfte auch die Verteilung der 16 DVB-H-Kanäle sein. ZDF-Intendant Markus Schächter kündigte in einem Interview voreilig an, dass das ZDF mit zwei Kanälen dabei sein werde, einem Hauptprogramm und einem Info-Kanal, unverschlüsselt und kostenfrei. Das ist Privatanbietern wie der ProSiebenSat1-Gruppe ein Dorn im Auge, möchten die doch eigene Info-Programme möglichst kostenpflichtig an den Nutzer bringen. Paulus Neef von Neva Media ist dennoch zuversichtlich, dass Mobile 3.0 bis Ende Dezember ein tragfähiges Handy-TV-Konzept vorlegen kann: „Wir werden auf allen Ebenen mit Hochdruck weiter verhandeln.“

Vielleicht sollte man dabei noch mehr an die Kaufkraft und Wünsche der zukünftigen Nutzer denken. Insider glauben nicht, dass monatliche TV-Extra-Gebühren von fünf bis sieben Euro für Handybesitzer zum Massengeschäft führen. Und laut Umfrage vom Verband der deutschen Internetwirtschaft Eco sehen 21 Prozent der befragten Experten die Sportberichterstattung beim Handy-TV an erster Stelle, 14 Prozent erotische Inhalte.

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