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2012 im Ring: Amazon, Google, Facebook und Apple. Der Pokal: Das Tor zum Internet.

© Mauritius

Internetwirtschaft: Kampf der Giganten

Amazon, Google, Facebook und Apple kämpfen um die Vorherrschaft im Internet. 2012 geht der Kampf in eine entscheidende Runde.

Man kann der Kampagne kaum entrinnen: Wann immer man den Fernseher einschaltet, wirbt Amazon für sein Videoangebot Lovefilm.de. Doch das ist nur ein Vorbote. Der amerikanische Onlinehändler bereitet damit den Weg für seinen neuen Tablet-Computer „Kindle fire“, der in den USA im Weihnachtsgeschäft bereits ein Renner war. Damit kann man nicht nur elektronische Bücher lesen, sondern auch Filme und Fernsehen schauen, Zeitschriften lesen, auf Apps und Internetdienste zugreifen. Ein bis zwei Millionen potenzielle Kunden, so schätzen Analysten, habe Amazon dem Konkurrenten Apple mit seinem iPad abgejagt. Bis jetzt sind sich Apple, der Computerhersteller, und Amazon, der Onlinehändler, nur wenig in die Quere gekommen. Doch das ändert sich. Welcher Empfehlung folgen die Nutzer in Zukunft, über welches Portal gehen sie ins Netz, wer darf das individuelle Fernsehprogramm zusammenstellen? 2012 geht es im Internet um nichts weniger als die Frage, wer künftig das Eingangstor zum Netz, wer den Zugang zum Konsum digitaler Inhalte kontrolliert. Um die Position des Torwächters konkurrieren vier Riesen: Amazon und Apple, Google und Facebook.

Wer wird zum Eingangstor ins Netz? Wer kontrolliert den Konsum digitaler Inhalte?
Sie alle hatten ursprünglich sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle, doch werden immer stärker zu direkten Konkurrenten. Amazons „Kindle fire“ zum Beispiel ist mit einem neuen Browser namens „Silk“ ausgestattet, der den Internetverkehr erst einmal in die Rechenzentren von Amazon lenkt. „Amazon kennt die Suchanfrage eines Nutzers, bevor sie bei Google ankommt“, sagt Ralf Kaumanns, Geschäftsführer des Marktforschungsdienstes Strategyfacts.com. Google wird zwar immer wieder wegen seiner Datensammelwut kritisiert, doch Amazon verfügt über eine Reihe von Informationen, von denen Google im Moment nur träumt: Amazon weiß nicht nur, wonach Menschen suchen, sondern auch, wann sie was tatsächlich gekauft haben. „Amazon ist ein datengetriebenes Unternehmen“, sagt Karim Taga, Partner der Managementberatung Arthur D. Little. Der Onlinehändler kennt die Vorlieben seiner Nutzer – und kann ihnen Produkte direkt verkaufen, die neueste TV-Serie vorab auf dem „Kindle fire“, den Blockbuster aus Hollywood auf DVD. „Das macht Amazon auch für die Studios in Hollywood zu einem interessanten Partner“, sagt Kaumanns. „Da wo Google mit seinem Videodienst Youtube und mit Google TV hin will, ist Amazon schon um Längen voraus.“

Zentrum der digitalen Wohnzimmerunterhaltung wird der Fernseher
Im Wohnzimmer kommt es zum Showdown. Die Frage ist, welche Plattform beziehungsweise welches Betriebssystem ein Kunde künftig nutzt, um auf seine digitalen Daten zuzugreifen. Im Wettbewerb stehen hier Apple (iOS), Google (Android) und Microsoft (Windows). „Das Tablet oder das Smartphone werden zur neuen Fernbedienung“, sagt Taga. „Im Zentrum des digitalen Zuhauses steht der Fernseher.“ Der wird zur Unterhaltungszentrale für Filme, Musik und das Surfen im Netz. Das klassische Fernsehprogramm wird verdrängt, der Nutzer entscheidet selbst, was er wann sehen will. „Alle Endgeräte im Haus werden vom Wohnzimmer aus gesteuert“, sagt Taga. „Dabei erkennt der Fernseher, wer ich bin und weiß, welche Programme ich am liebsten sehe.“ Und er gehorcht aufs Wort.

Apple baut seinen Vorsprung aus und Facebook sammelt Minuspunkte.

Apple ist im Vorteil: Das reibungslose Zusammenspiel der Geräte funktioniert schon
Apple hat den Vorteil, bereits eine eigene Welt geschaffen zu haben in der alle Geräte reibungslos zusammenarbeiten. „In punkto Nutzerfreundlichkeit und Synchronisation liegt Apple weit vorn“, sagt Marktbeobachter Kaumanns. Es wird erwartet, dass Apple zusätzlich zur bereits existierenden digitalen Empfangsbox noch 2012 ein neues Fernsehgerät vorstellt, das wie das aktuelle iPhone ebenfalls mit einer Spracherkennungssoftware ausgestattet ist. Wann der Fernseher kommt, wie innovativ Konzept und Design ausfallen werden, darüber gibt es nur Spekulationen. Offen ist auch, ob es Apple gelingen wird, mit dem neuen Gerät den TV-Markt ebenso fundamental zu verändern, wie es dem verstorbenen Steve Jobs mit den Märkten für Computer, Musikspieler und Mobiltelefone gelungen ist. „Apple braucht weitere Innovationen“, sagt Axel Freyberg, High-Tech-Experte von A.T. Kearney.
In den USA mischt Google bereits mit GoogleTV mit. Auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas hat Sony einen neuen Mediaspieler mit GoogleTV vorgestellt, der die Suche auf den Fernseher bringt. So soll man schnell bei YouTube, im Videoangebot oder im Fernsehprogramm alle Sendungen finden, die zum Suchbegriff passen. Und Google kann seine Werbung platzieren.

Die Nutzer wollen keine anonymen Empfehlungen mehr, sondern Hinweise von Freunden
Doch immer mehr Menschen suchen die Antworten auf ihre Fragen bei Facebook. Und sie interessieren sich weniger für anonyme Empfehlungen als für das, was ihnen Freunde raten. „Genau aus diesem Grund greift Google das Thema soziale Suche auf“, sagt Axel Freyberg. Seiner Meinung nach steht 2012 „für Facebook die Stunde der Wahrheit“ an. Zum einen will das Unternehmen an die Börse gehen und muss nun alle Zahlen offenlegen. „Ich glaube auch, dass Facebook noch nicht genug auf das Thema Privatheit achtet“, sagt Freyberg. Das Interesse an dem Netzwerk könnte abflauen. Karim Taga ist ebenfalls überzeugt, dass Facebook sich nicht auf seinem Erfolg ausruhen kann. „Bei Facebook gab es zu viele Vertrauensbrüche, viele warten auf eine Alternative“, sagt Taga. „Wir haben schon viele Netzwerke kommen und wieder gehen sehen.“
Gespannt warten die Experten auf das neue Facebook-Phone, über das seit mehr als einem Jahr spekuliert wird. Bauen wird es wohl HTC aus Taiwan. „Bisher ist Facebook auf den meisten Smartphones nur eine Applikation. Aber warum sollte es nicht die Benutzeroberfläche sein“, meint Freyberg. „Das könnte nochmal ein Renner werden.“

Was hat Google mit Motorola vor?
Ebenso spannend wird die Frage, was Google mit dem Handyhersteller Motorola macht, den es gerade übernehmen will. Zwar hat Googles Betriebssystem Android längst die Führung auf dem Smartphonemarkt übernommen. „Aber die meisten Hersteller nutzen die Möglichkeiten des Systems nicht aus und haben die Nutzererfahrung verhunzt“, meint Ralf Kaumanns. In den USA sei Motorola eine starke Marke. Gemeinsam könnten beide Referenzprodukte entwickeln, die Android wirklich zum Fliegen bringen. „Ich fände es vernünftig, wenn sie sich auf High-End-Produkte bei Smartphones und Mediatablets konzentrieren würden.“
Natürlich wird es im Kampf um die Gunst der Kunden nicht nur einen Sieger geben. Viel Potenzial sehen Kaumanns und Taga jedenfalls bei Amazon. „Amazon ist die am meisten unterschätzte Firma“, sagt Kaumanns.

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