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Stolz präsentierten der ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen (r.) und NDR-Intendant Jobst Plog 2001 das durch Gebührengelder finanzierte Nachrichtenportal "tagesschau.de".

© ddp

Medienpolitik: Freie Archive für informierte Bürger!

Öffentlich-rechtliche Archive zu "depublizieren", ist gesellschaftlicher Unsinn. Die Site depub.org, die das bekämpft, mag illegal sein. Aber sie beweist Zivilcourage.

Seit wenigen Tagen versucht die Seite depub.org, diese Archive wieder Jedermann zugänglich zu machen. Als erstes erschien dort das Archiv von tagesschau.de, das zuvor bereits als Datei in Tauschbörsen kursierte.

Rechtlich ist das illegal. Sachlich aber ist es zivile Courage.

Illegal, weil der von gewählten Abgeordneten in einem demokratischen Prozess beschlossene Rundfunkstaatsvertrag das sogenannte Depublizieren vorsieht und zum Recht erhebt. Illegal auch, weil die Aktion die Urheberrechte von Autoren verletzt.

Zivilcourage, weil sie – um ein unabhängiges und frei zugängliches Informationsportal namens Wikipedia zu zitieren – bedeutet, dass jemand "ohne Rücksicht auf sich selbst, soziale Werte oder die Werte der Allgemeinheit vertritt".

Und das tut depub.org. Denn das Depublizieren folgt allein den Interessen der Wirtschaft und nicht denen der Öffentlichkeit. Private Verleger sind es, die mit all ihrer medialen Macht von der Politik fordern, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu beschneiden, vor allem im Internet.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll jedoch, so heißt es im Rundfunkstaatsvertrag "die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft" erfüllen, damit den informierten Bürger möglich machen und so die Demokratie stützen.

Auch im Internet. Wer die Öffentlichkeit informieren will, muss das dort tun, wo sie sich aufhält. Heutzutage bedeutet das, im Internet präsent zu sein. Ob das privaten Verlegern, die dort nach Geschäftsmodellen suchen, passt oder nicht.

Allein ihren Interessen zu folgen, ignoriert das Interesse der Öffentlichkeit. Und nicht nur das. Immerhin hat sie Gebühren gezahlt, um unabhängige und bestmögliche Informationen zu bekommen. Wer diese Informationen der Öffentlichkeit wieder entzieht, entwendet ihr etwas. Und es ist ein mindestens seltsamer Vorgang, wenn Verlage, deren Journalisten sich eigentlich dem Ziel einer informierten Öffentlichkeit widmen sollen, das Verschwinden Hunderttausender journalistischer Texte durchsetzen, nur weil sie von unliebsamer Konkurrenz stammen.

Bei jeder Erhöhung dieser Gebühren erhebt sich ein von (privaten) Medien befeuerter Sturm der Entrüstung. Wenn jedoch das Angebot künstlich verkleinert wird, – was indirekt einer Gebührenerhöhung gleich kommt – herrscht Ruhe. Das heißt, eigentlich schweigen nur die privaten Medien. In Blogs gibt es dazu hunderte Texte. Und nun auch ein Angebot, das etwas tut.

Und wer immer also das anonyme Archivportal depub betreibt, handelt im Sinne einer informierten Gesellschaft, also in unserem Sinne. Und wer immer den Rundfunkänderungsstaatsvertrag verhandelt hat, sollte sich überlegen, ob er auch im Sinne der Öffentlichkeit handelte.

Dass das öffentlich-rechtliche System reformiert werden muss, steht außer Frage. Was jetzt aber mit den öffentlich-rechtlichen Onlineauftritten geschieht, hat nichts mit einer notwendigen konzeptionellen Neuausrichtung zu tun, sondern ist nur Ausdruck der egoistischen Interessenpolitik privater Unternehmen.

Quelle: ZEIT ONLINE

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