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Neue Konkurrenz: Fernsehen aus dem App-Store

Mit dem Deutschlandstart von Google TV im September verwischen die Grenzen zwischen TV und Internet weiter. Das wirft auch medienpolitische Fragen auf.

„Dune – Der Wüstenplanet“, „M – eine Stadt sucht einen Mörder“, Alfred Hitchcocks „Mary“ – die Auswahl an empfehlenswerten Filmen im Movie-Channel von Youtube ist noch eng begrenzt, dafür bietet dieser Kanal einen anderen Vorteil: Der Besuch in diesem Internet-Kino ist – einmal von den Kosten für den Internetzugang abgesehen – umsonst. Die Filme aus dem Youtube-Channel, aber auch aus den zahlreichen anderen Kanälen des Internet, gelangen in Kürze auf ganz einfache Weise auf den größten Bildschirm in jeder Wohnung. Kurze Zeit nach der Internationalen Funkausstellung wird Sony im September die erste Google-TV-Box in Deutschland auf den Markt bringen.

Die rund 200 Euro teure Settop-Box arbeitet mit dem von Smartphones und Tablet-PCs bekannten Google-Betriebssystem Android und wird über ein HDMI-Kabel mit dem Fernseher verbunden. Und genau wie diese Geräte lässt sich Sonys Google-TV-Box NSZ-GS7 individuell einrichten, indem die gewünschten Apps aus Google-Play-Store installiert werden. Zudem enthält die Box Googles Internet-Browser Chrome, mit dem jede beliebige Webseite aufgerufen werden kann. Auch die auf Videoseiten häufig anzutreffende Flash-Technik wird anders als bei Apple unterstützt. Im App-Store von Google befinden sich derzeit rund 600 000 Android-Anwendungen zu den unterschiedlichsten Gebieten wie Nachrichten, Wettervorhersagen, Foto-Präsentationen oder zur Internet-Kommunikation. Rund 1000 davon lassen sich direkt mit Google-TV nutzen, rund 150 davon sind speziell dafür optimiert.

Ob und auf welche Weise Filme oder TV-Serien ausgeliehen werden, ist dem Zuschauer selbst überlassen. Besonders einfach gemacht wird dies allerdings direkt über Google Play oder über das ebenfalls vorinstallierte Sony Entertainment Network. Über den Chrome-Browser kann aber auch jede andere Video-on-demand-Plattform angesteuert werden.

Zu den kostenpflichtigen Angeboten kommen die Mediatheken der TV-Sender, so sie nicht dem Beispiel einiger amerikanischer Networks folgen, die nach dem Start von Google TV in den USA vor gut zwei Jahren ihre Angebote für diese Plattform sperrten. Auch in Deutschland sitzt die Angst der Sender vor den neuen Konkurrenten aus der IT-Ecke tief. Auch medienpolitisch werfen Geräte wie Google TV ganz neue Fragen auf. Noch wird das Programmangebot bei den öffentlich-rechtlichen Sendern von der Politik und bei den Privaten von den Medienanstalten mitbestimmt. In den Weiten des Internets schwindet aber der Einfluss sowohl der Kontrollgremien als auch der Sender selbst. Hier legen die Rechteinhaber fest, welcher Film, welche Serie oder welches Sportspektakel wo und zu welchen Bedingungen zu sehen ist. Oder mit welchen Inhalteanbietern Partnerschaften eingegangen werden. Bereits jetzt arbeitet Sony in seinem Entertainment Network mit 20 Partnern zusammen. Welche Partner Sony auf die Google-TV-Box folgen werden, will das Unternehmen in wenigen Tagen auf der Funkausstellung in Berlin bekannt geben, sagte Sony-Manager Michael Willenborg dem Tagesspiegel.

Immer bedeutsamer aber werden die Youtube-Channels. 2012 investierte Google 150 Millionen Dollar in die Professionalisierung dieser Kanäle. Inzwischen existieren weit über 100 Premium-Channels, die einerseits von besonders erfolgreichen Youtubern und andererseits von kommerziellen Anbietern bestückt werden. Und damit nicht genug: Das „Wall Street Journal“ berichtete gerade, dass Youtube weitere 200 Millionen Dollar aufwenden will, um das Angebot auszubauen und vor allem besser zu bewerben. Schließlich sollen die Google-TV-Käufer auf die richtige App klicken.

Apropos Klicken. Bei der Fernbedienung handelt es sich um einen Controller, auf dessen einer Seite sich eine vollwertige Tastatur befindet, um so Internet-Adressen einzugeben oder beispielsweise auf eine Mail zu antworten. Die andere Seite dominiert ein großes Touchpad, mit dem unter anderen die Apps bedient werden können. Ein festerer Fingerdruck löst dabei den Klickbefehl aus.

Google selbst möchte der Diskussion über die Inhalte am liebsten aus dem Weg gehen. Google TV sei kein Ersatz fürs klassische Fernsehen, sondern eine Ergänzung, betont Google-Manager Christian Witt. Das System bringe zusätzliche Inhalte auf den besten Bildschirm im Haus, den Fernseher. Google TV sei eine neutrale Plattform, die für alle Entwickler offen sei. Man selbst werde keine Verhandlungen mit Inhalteanbietern führen, hieß es auf Nachfrage. Das gilt allerdings nicht für die Google-Tochter Youtube. Für den Movie-Channel hat die Plattform Verträge mit verschiedenen Filmstudios abgeschlossen. Derzeit finden sich im Angebot Filme und Dokumentationen von der BBC, von CBS, Metro-Goldwyn-Mayer und Sony Pictures. Allerdings handelt es sich dabei derzeit um ältere Streifen aus den 1970er und 1980er Jahren. Aber auch damit steht Youtube in Konkurrenz zu Video-on-demand-Plattformen wie Videobuster, Lovefilm oder dem Anbieter Netflix, der demnächst auch in Europa aktiv werden will.

Sony ist zwar der erste Anbieter, der eine Settop-Box für Google TV anbietet, wird aber nicht das einzige Unternehmen bleiben. Weitere Partner sind Samsung, LG und Vizio. Zudem hat Konkurrent Apple angekündigt, seine Fernsehstrategie auszubauen. Bislang können mit der Apple-TV-Box Filme und Serien über den iTunes-Stores abgerufen werden. Nun soll eine neue Settop-Box entwickelt werden, die auch Live-TV einbezieht.

Wie kompliziert die Live-TV-Integration ist, zeigt sich auch bei der Google-TV-Box. Wenn man zur „Home“-Seite wechselt, soll man das aktuell laufende TV-Programm sehen, ergänzt um eine Leiste am unteren Rand mit den wichtigsten Apps. Zudem soll es möglich sein, beispielsweise beim Aufruf einer Nachrichten-App in einem Bild-in-Bild-Fenster das laufende TV-Programm einzublenden. Doch das funktioniert nur, wenn man über einen zusätzlichen TV-Empfänger verfügt, der an den HDMI-Eingang der Google-Box angeschlossen wird. Die Empfangseinheit des TV-Geräts kann dafür nicht genutzt werden. Ein Ausweg wäre eine Google-Box mit integriertem TV-Tuner. Darüber werde nachgedacht, teilte Sony mit. Bereits fest eingeplant für Mitte 2013 ist eine nächste Google-TV-Box von Sony, diesmal mit eingebautem BluRay-Player für rund 300 Euro. Ein Mikrofon in der Fernbedienung erlaubt dann auch die Sprachsteuerung .

Von der Leistung her sollen die Boxen auch in der Lage sein, Spiele-Apps aus dem Play-Store zu unterstützen – vorausgesetzt, sie kommen mit der Steuerung der Settop-Box zurecht. Damit macht sich Sony selbst Konkurrenz. Grafisch aufwendige Titel werden zwar weiterhin der Playstation vorbehalten sein, für das kurze Zwischendurchspiel muss sich dann aber niemand mehr eine kostspielige Konsole anschaffen.

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