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Internetkonferenz Re:publica in der Station-Berlin

© Jana Demnitz

Re:publica 2013: "Redet mit Mama und Papa und dem NPD-Nachbarn"

Gunther Dueck redet der Generation Internet ins Gewissen und fordert sie auf, ihre gedankliche Blase zu verlassen und sich mit dem Rest der Welt auseinander zu setzen. Die Rede kommt zu einem kritischen Zeitpunkt.

Von Anna Sauerbrey

Er lispelt, er sieht aus wie ein Oberstudienrat und das Design seiner Folien spricht die ästhetische Sprache eines Anthroposophen-Kongresses. Trotzdem haben sie ihn wieder eingeladen. Und trotzdem bekommt er am Ende einen Riesenapplaus. Gunther Dueck, früher mal Mathematiker, heute "Omnisoph", früher einmal Chief Technology Officer bei IBM, heute hauptamtlich in der Selbstvermarktung und als Start-up-Geldgeber tätig, hat wieder auf der Re:publica gesprochen, dem Treffen für Blogger, Netzaktive und Internetideenverfolger, das am Montag in der "Station Berlin" begonnen hat. Seine Rolle als wandelnde Antithese zwischen all diesen Visionären, Netzeuphorikern und Volldigitalen hat Dueck fachmännisch abgeliefert.

Schon 2011 hat er auf der Re:publica gesprochen, damals war Dueck in der Szene noch ein Unbekannter, sein Vortrag ein Überraschungserfolg. Den Schub, den ihm die Konferenz damals im Netz gegeben hat, die tausenden von Klicks auf das Youtube-Video von seinem Vortrag, hat er genutzt, um sich als Persona zu vermarkten. Und als solche trat er auch am Montag wieder auf: Ein bisschen wirr, ein bisschen verhuscht, aber durchaus lustig. Nicht sonderlich systematisch, ein Horror für jeden universitären Philosophen, aber irgendwie schlau, auf jeden Fall mit breiter Perspektive.

Geradezu demonstrativ kämpft Dueck eingangs mit dem Apple, der seine verwirrende und überfrachtete Präsentation abspielen soll. "Gibt es hier jemanden, der sich damit auskennt?" Dann spricht er über "Ethnozentrismus", worunter er eine Haltung verstanden haben möchte, die immer aus der eigenen Gruppe heraus argumentiert. "Am besten kann man das machen, indem man sich auf Tagungen trifft, so wie Sie hier. Die Realität ist aber draußen, 200 Meter weiter. Die ist mit uns verflochten, das will ich jetzt hier predigen." Dueck geißelt die Selbstbezogenheit der "Netzgemeinde" und versucht zu zeigen, dass deren Blick auf die Welt von bestimmten Prämissen über den Menschen geprägt ist (z.B., dass er auch kreativ arbeiten würde, wenn man ihm ein bedingungsloses Grundeinkommen zahlt), Prämissen, die optimistisch und sympathisch sind, von einem Großteil der Gesellschaft aber nicht geteilt werden. "Sie sollten beachten, was Mama und Papa und der von der NPD nebenan, was die so denken. Und sie sollten versuchen, die zu verstehen."

Dueck ist ein freundlicher Mensch, der Harmlosigkeit ausstrahlt und vielleicht ist es das, das es ihm ermöglicht, die Hunderte von versammelten Netzadepten im Dunkel von "Stage 1" so scharf anzugreifen, ihnen Engdenkerei und Isolationismus vorzuwerfen. Weil Dueck aussieht wie die Papas und Gitarrenlehrer und Lieblingsdozenten vieler, die hier sitzen, darf er das sagen, ohne vom Shitstorm hinweggefegt zu werden. Im Gegenteil. "Der Kanzlerkandidat der Netzgemeinde", twittert jemand. Und ein anderer "erfrischend."

Die Szene spürt offenbar, dass sie sieben Jahre nach der ersten Re:publica einen Großteil der Gesellschaft noch immer nicht für ihre Themen begeistern konnte. Eine Zeitlang sah es so aus, als würden die Piraten mit der Netzpolitik eine größere Masse erreichen, doch die Partei stirbt gerade öffentlich einen langsamen und qualvollen Tod. Die Enquete-Kommission Internet, die das Thema zwei Jahre lang im Bundestag dauerhaft, wenn auch auf niedriger Flamme, am Köcheln hielt, ist beendet. Vielleicht verstärkt auch das das Bewusstsein, dass es wieder neue Kanäle braucht, um die Sorge um das Netz einem größeren Publikum zu vermitteln. Die Re:publica hat sich das Motto "In/Side/Out" gegeben, verbunden mit der Aufforderung, auch einmal "aus dem Netz heraus" zu gehen.

Das Motto gab es schon einmal, genau so, wie es den Vortrag von Dueck im Grunde schon einmal gab. Aber es ist offenbar nötig, das alles noch einmal und immer wieder zu wiederholen. Gunther Dueck ruft zur Diskussion mit der Offline-Welt auf: "Es ist eine Scheiß-Arbeit, das zu schaffen. Das schafft kein Einzelner. Man kann das auch nicht durch Meckern und nicht durch Bloggen. Dafür muss man raus."

Hier geht es zur offiziellen Website: www.re-publica.de

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