zum Hauptinhalt
Die neue "Timeline" wird für alle Nutzer zur Pflicht.

© dpa

Soziale Netzwerke: Facebook macht sich keine Freunde

Am neuem Dienst "Timeline" gibt es heftige Kritik. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht sogar die rote Linie zur lückenlosen Erfassung der Nutzer überschritten.

Daten-, Jugend- und Verbraucherschützer haben am Donnerstag mit zum Teil scharfer Kritik auf die angekündigten Neuerungen in dem sozialen Online-Netzwerk Facebook reagiert. Die Betreiber der Seite hatten angekündigt, die bis dato freiwillige Umstellung der eigenen Profildaten auf den neuen Dienst „Chronik“, englisch „Timeline“, innerhalb der nächsten Wochen verpflichtend zu machen. „Mit Timeline überschreitet Facebook die rote Linie zur nahezu lückenlosen Erfassung der Nutzer“, sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar dem Tagesspiegel. Kritik kam auch aus dem Verbraucherministerium. Auch wenn die Inhalte mit der neuen Darstellung nicht verändert würden, sei die Chronik „ein weiterer Schritt zum gläsernen Nutzer“. So könne künftig jeder befreundete Nutzer zurückverfolgen, seit wann jemand mit wem über Facebook befreundet sei, wer wann welche Musik gehört, welchen Film gesehen habe oder welchen Weg gejoggt sei. Es liege nun „in der Hand der Nutzer zu entscheiden, ob sie ihre Privatsphäre so weit öffnen wollen“.

Differenzierter äußerten sich Experten aus dem Jugendschutz: „Es passiert nur etwas im sichtbaren Bereich, an den Privatsphäre-Einstellungen ändert sich nichts“, betonte Gudrun Melzer von „Klicksafe“, einer EU-Initiative für mehr Datensicherheit im Netz, die eng mit dem deutschen „jugendschutz.net“ kooperiert. So sei auch nach Einführung der „Chronik“, die es ermöglicht, sich mit wenigen Klicks zu jahrealten Eintragungen eines Nutzers vorzuarbeiten, ein geschlossenes Profil nur für die eigenen Facebook-Freunde sichtbar. Gelöschte Inhalte blieben gelöscht. Problematisch sei jedoch, dass Nutzer nun dazu gezwungen würden, ihre Daten und Profile „chronik“-gerecht aufzuarbeiten. „Es wird viel präsent, was man vergessen hat – oder von dem man nicht will, dass neue, erst kürzlich hinzugefügte Freunde es finden.“ Daher sei auch der kurze Umstellungszeitraum von einer Woche, innerhalb derer die Nutzer die Chronik bearbeiten können, ohne dass sie öffentlich wird, problematisch.

„Bisher gingen die Daten irgendwann ins Nirvana, waren zwar bei Facebook gespeichert, aber für Freunde nicht mehr wirklich auffindbar“, beschreibt Christoph Thiel, Medientrainer beim Deutschen Kinderschutzbund, den derzeitigen Status quo. Die neue „Chronik“ hingegen sei „wie eine Bibliothek“, die gerade Kindern und Jugendlichen viel abverlange: „Meine Sorge ist, dass Kinder von vornherein daran gewöhnt werden, dass nur derjenige ist, der ständig sein Profil überarbeitet.“ Gerade für Heranwachsende bedeute die permanente Konfrontation mit Vergangenem Stress. Hier seien nicht nur die Eltern gefragt: „Man kann Facebook hier gar nicht genug zur Verantwortung ziehen.“ So weigere sich der Konzern beharrlich, einen speziellen Bereich für Kinder und Jugendliche einzurichten, in dem deutlich rigidere Privatsphäreeinstellungen und die endgültige Löschung eigener Daten möglich sein müssten.

Tina Kulow, Sprecherin für Facebook in Deutschland, war bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht zu erreichen. Per SMS wies sie Medienberichte zurück, wonach „Chronik“ bereits Anfang Februar verpflichtend eingeführt werde. Über eine Mitarbeiterin ließ Kulow bestätigen, dass der Sieben-Tage-Zeitraum, der Nutzern nach Freischalten der „Chronik“ bis zu deren Veröffentlichung bleibt, um ihre Inhalte zu bearbeiten, auch für jene gelte, die erst ganz am Ende auf das neue Tool verpflichtet würden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false