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Mäusefreund Warren Spector

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Spielemesse: Von Mäusen und Menschen

Auf der Gamescom stellt Spiele-Designer Warren Spector sein Disney-Abenteuer "Mickey Epic" vor – ein Interview.

Acht Quadratmeter, vier Plastikstühle, ein Monitor: Über die Stellwände schwappt das Stimmengewirr der Gamescom-Besucher. Freundlich lächelnd sitzt Warren Spector in dem kahlen Raum und gibt ein Interview nach dem anderen. Der Game-Designer stellt am Disney-Messestand sein neues Werk "Mickey Epic" vor: In dem Action-Adventure muss sich die berühmteste Maus der Welt in einem Paralleluniversum vernachlässigter Zeichentrickfiguren behaupten. Bekannt geworden ist Spector (55) allerdings durch düstere Science-Fiction-Spiele wie "Deus Ex" und "System Shock". Ein Gespräch über Mickeys Charakter, Entscheidungsfreiheit und seltsame Kühe.

Mr. Spector, eine Frage zur Gamescom: Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Branche?
Es passiert gerade alles Mögliche! Als ich in die Branche einstieg [in den achtziger Jahren, Anm. d. Red.], war sie noch überschaubar. Zwei Typen in einer Garage konnten damals wirklich ein bedeutendes Spiel entwickeln. Später waren es schon zehn oder zwölf Leute, die für ein Entwicklerstudio arbeiteten, das mehrere Projekte am Laufen hatte. Und irgendwann in den letzten zehn Jahren kam der Moment, an dem man plötzlich 270 Leute und 30 bis 40 Millionen Dollar brauchte, um ein herausragendes Spiel zu produzieren.

In den letzten fünf Jahren hat sich das geändert. Es kamen viele neue Spieleplattformen hinzu und damit viele Möglichkeiten, bestimmte Zielgruppen zu erreichen. Man kann Spiele für das iPad oder für Facebook entwerfen oder eben für Konsolen. Zwei Typen in einer Garage können wieder wirklich etwas bewegen! Im Moment ist wirklich alles möglich. Es scheint, als befänden wir uns plötzlich in einem goldenen Zeitalter.

Warum erscheint "Mickey Epic" nur für die Wii-Konsole?
Mickey ist eine Zeichentrickfigur, und wir wollten ihm die Kontrolle darüber geben, woraus er gemacht ist: Also benutzt er Farbe und Farbverdünner, um zu zeichnen und zu löschen. Im Spiel soll das ganz intuitiv ablaufen. Als ich mit den Planungen für "Mickey Epic" begann, war Wii die einzige Steuerung, die diese Anforderung erfüllte. Außerdem hat sie noch immer den größten Marktanteil aller Konsolen.

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Was ist das Besondere an der Spielfigur Mickey? Was macht ihren Charakter aus?
Es gibt Mickey in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Der Mickey in den Freizeitparks unterscheidet sich von dem im Fernsehen, und beide unterscheiden sich vom Mickey aus den alten Cartoons. Und selbst jener wandelte sich im Lauf der Jahre.
Für "Mickey Epic" habe ich nach den Gemeinsamkeiten all dieser Figuren gesucht. Mickey ist sehr direkt, er ist immer der Klügste von allen, er ist sehr neugierig, schelmisch, manchmal allzu enthusiastisch. Weil er nicht immer nachdenkt, bevor er handelt, bringt er sich häufig selbst in Schwierigkeiten. Er ist loyal gegenüber seinen Freunden, hartnäckig und gibt nie auf. Wenn man all das zusammennimmt, hat man die Basis für einen grandiosen Videospiel-Charakter. Einer, der Persönlichkeit besitzt, aber dem Spieler diese Persönlichkeit nicht aufzwingt.

Ihre Philosophie lautet: Der Spieler soll die Handlung selbst erzählen. Wie unterscheiden sich Warren-Spector-Spiele von anderen Titeln?
Die Unterschiede sind subtil, aber wichtig. Erstens: Es ist sehr einfach, dem Spieler Wahlmöglichkeiten zu bieten, ihm eine Skala von "gut" bis "böse" zu geben. Ich sage dazu: Prima, das der Spieler eine Wahl hat – aber wo liegen die Konsequenzen? Was ist die Belohnung dafür, dass er etwas Bestimmtes tut, und was sind die Kosten? Viele Game-Designer sehen nicht beide Aspekte.

Zweitens: Games haben eine Meta-Ebene. Der Spieler kann sich zum Beispiel das Ziel setzen, immer auf der Seite des moralisch Guten zu bleiben. Und dann spielt er so, dass er einen "guten" Spielstand erreicht. Ich als Game-Designer möchte aber nicht, dass der Spieler über so etwas nachdenkt. Er soll so spielen, wie er am meisten Spaß hat. Die Veränderungen an Spielfigur und Spielwelt sollen sich auf natürliche Weise aus dem ergeben, was der Spieler tut, um Spaß zu haben.

Ein Beispiel?
Wenn ich einen Shooter spiele, aber nicht gut im Schießen bin, habe ich normalerweise nur eine Option: Ich höre auf zu spielen. Meine Games hingegen haben die Botschaft: Hey, wenn du nicht gut im Schießen bist, versuche doch einfach, nicht zu schießen! Versuche etwas anderes! Ich will diese Grundidee einem breiten Publikum vermitteln.

Wie zeigt sich dieser Anspruch in "Mickey Epic"?
Wenn der Spieler die Handlung ignorieren möchte, kann er das tun. Wenn er nicht über die Auswirkungen von Farbe und Farbverdünner nachdenken möchte, kann er einfach alles mit Farbverdünner vollsprühen. Aber wenn der Spieler wirklich auf die Details achten möchte, seine Fähigkeiten nutzen und interessante Problemlösungen finden will, kann er das auch. In "Mickey Epic" wird er nicht dafür bestraft, dass er bestimmte Dinge ignoriert, aber er wird belohnt, wenn er sie wahrnimmt.

Auch der Humor von "Mickey Epic" funktioniert bei einer großen Zielgruppe. In einem Spielabschnitt gibt es beispielsweise eine Kuh mit Laktose-Intoleranz. Erwachsene lachen darüber, Kinder verstehen das nicht, amüsieren sich aber trotzdem.

Werden Fans von "Deus Ex" auch zu "Mickey Epic" greifen?
Wenn es um mein neues Spiel geht, kommt häufig die Frage: "Mickey Mouse. Soll das ein Witz sein? Was ist aus den düsteren, kantigen Warren-Spector-Games geworden?" Ich sage dann immer: Die Grundidee von "Wahl und Wirkung" hat mit Fiktion rein gar nichts zu tun. Es geht nicht darum, wer dein Held ist, sondern es geht ums Spielen selbst. Deshalb hoffe ich, dass Fans von "Deus Ex" sagen: "Ich bin bereit, auch mal eine Maus zu sein – wenn ich dabei das 'Deus Ex'-Gefühl verspüre."

"Mickey Epic" erscheint im vierten Quartal 2010. Das Gespräch fand als Gruppeninterview statt.

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