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Gegen Suchvorschläge wie diese wehrt sich Bettina Wulff juristisch.

© dapd

Such-Neutralität: Google ist weder demokratisch noch neutral

Google legt fest, was wir im Netz finden dürfen. Höchste Zeit, für Such-Neutralität zu kämpfen. Oder wenigstens zu sagen, was und wie gefiltert wird, meint Kai Biermann.

Google ist keine Suchmaschine. Denn Google sucht schon lange nicht mehr, jedenfalls nicht nur. Das Unternehmen filtert die Ergebnisse, die sie zeigt. Google ist also ein Katalog und sollte das ehrlicherweise sagen.

Denn was ist das Versprechen einer Suchmaschine? Sie will abbilden, welche Fundstellen für eine möglichst große Zahl von Nutzern relevant sind. Sie will das Wissen der Masse nutzen, um eine Rangfolge aufzustellen. Sie will versuchen, wie es in der Wikipedia formuliert ist, Suchanfragen mit einer "nach Relevanz geordneten Trefferliste zu beantworten".

Suchmaschinen also wollen die Wirklichkeit so gut wie möglich abbilden. Googlesprecher Kay Oberbeck behauptet im Streit mit Bettina Wulff, genau das würde sein Konzern tun. Google könne nichts für Suchergebnisse, man bilde nur die Realität ab.

Objektive Faktoren?

Oberbeck sagte: "Die bei der Google-Autovervollständigung sichtbaren Suchbegriffe spiegeln die tatsächlichen Suchbegriffe aller Nutzer wider." Die angezeigten Begriffe seien "das algorithmisch erzeugte Resultat mehrerer objektiver Faktoren, inklusive der Popularität der eingegebenen Suchbegriffe. Google schlägt diese Begriffe nicht selbst vor – sämtliche in Autovervollständigung angezeigten Begriffe wurden zuvor von Google-Nutzern eingegeben."

Oberbeck sollte es besser wissen. Denn Google verzerrt die Realität ganz bewusst. Beispielsweise, indem Filesharingseiten wie Pirate Bay herausgefiltert und in eben dieser Autovervollständigung nicht angezeigt werden. Nur am Rande: Spannenderweise böten gerade die herausgefilterten Filesharingnetzwerke eine Möglichkeit, um eine solche Suchneutralität herzustellen.

Bilder: Bettina Wulff geht in die Offensive

Beispiele wie dieses gibt es viele. Sie belegen, dass Google auf die Ergebnislisten Einfluss nimmt, allein schon, um nicht mit Gesetzen in Konflikt zu geraten, wenn jemand nach Kinderpornographie sucht oder nach hierzulande verbotenen rechten Inhalten. Doch häufiger geht es dabei um Geld.

Das weiß man selbstverständlich auch bei Google. In einem Gutachten, das der amerikanische Jurist Eugene Volokh im April im Auftrag Googles angefertigt hatte, wird daher genau so argumentiert. Darin schreibt Volokh, das Präsentieren von Suchergebnissen stelle eine individuelle redaktionelle Entscheidung dar, sowohl durch die Auswahl als auch durch den Algorithmus selbst, der schließlich von Google-Mitarbeitern programmiert worden sei. Zitat: "Search engine selection decisions are indeed the result not just of individual editorial choices, but also of the computerized algorithms that search engine employees have created to implement these choices."

In diesem Gutachten ging es um die Frage, ob Google für sich den Schutz der Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen könne. Das Gutachten findet, das sei der Fall, schließlich spiegele sich in der Auswahl an Suchergebnissen Googles Meinung wider.

Keine Transparenz

Was denn nun? Objektive Algorithmen oder subjektive Auswahl? Google argumentiert leider immer so, wie es dem Konzern gerade opportun erscheint. Obwohl eindeutig ist, dass die Auswahl längst nicht mehr objektiv erfolgt. Und das ist ein Problem. Denn das Unternehmen verletzt längst die sogenannte Suchmaschinenneutralität. Google legt nach undurchsichtigen Kriterien fest, was wir sehen und finden dürfen.

Zu behaupten, dass die "Demokratie im Internet funktioniert", dass allein die Nutzer durch das Setzen von Links bestimmen würden, "welche anderen Websites wertvolle Inhalte bieten", ist daher eine Lüge. Denn Google ist nicht demokratisch, das genaue Gegenteil ist der Fall: Google ist ein selbstherrlicher Monarch. Es wäre das Mindeste, das auch offen zuzugeben und zu erklären, nach welchen Kriterien gefiltert wird.

Dieser Text erschien zuerst bei ZEIT Online.

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