zum Hauptinhalt
Imagewandel: Im neuen „Tomb Raider“ wird aus der Pixelikone Lara Croft ein menschliches Wesen. In der deutschen Version leiht ihr Nora Tschirner die Stimme.

© Promo

"Tomb Raider": Die Rückkehr der Grabjägerin

Die neue Lara Croft ist verletzlicher als sonst. Das hindert sie nicht daran, massenhaft Gegner zu töten.

Lara Croft ist eine Ikone der Computerspielwelt. Seit 1996 jagt die Heldin der Tomb-Raider-Spiele Schätzen und Geheimnissen nach – und hat es mit zwei Filmen bis nach Hollywood geschafft. Die Spieleserie fasziniert mit ihrer Mischung aus Action und Rätseln. Ähnlich bedeutsam für die ursprüngliche Popularität von „Tomb Raider“ ist jedoch Lara Croft selbst: Mit ihrer bombastischen Oberweite, knappen Bekleidung und übercoolen Art war sie nicht nur Pixel gewordene Männerfantasie, sondern auch ein streitbares weibliches Rollenmodell. Im Laufe der Jahre ging das Interesse an der abgezockten Alleskönnerin jedoch merklich zurück – auch deshalb, weil ihr Charakter wenig Entwicklungsmöglichkeiten bot. Mit „Tomb Raider“ ist jetzt eine Fortsetzung der Serie erschienen, die den Charakter der Lara Croft runderneuert.

Das Spiel (PC, PS3, Xbox 360; Preis: 70 Euro, USK: 18) erzählt die Vorgeschichte der weltberühmten Archäologin. Als 21-jährige Nachwuchsforscherin nimmt Lara an einer Expedition in den Pazifischen Ozean teil: Sie will die Insel Yamatai finden, die einst von der Sonnenkönigin Himiko regiert worden sein soll. Bei der Fahrt durch das berüchtigte Drachen-Dreieck erleidet die Besatzung in einem Sturm Schiffbruch; mit letzter Kraft kann sich Lara ans Ufer einer Insel retten, wird dabei aber von den anderen Besatzungsmitgliedern getrennt. Dann geht alles ganz schnell: Lara bekommt einen Schlag auf den Kopf, und als sie wieder aufwacht, hängt sie kopfüber in einer Höhle voller Kerzen, Knochen und Totenschädel.

In einer atemberaubenden Sequenz gelingt Lara die Flucht. Der Spieler muss herabstürzenden Gesteinsbrocken ausweichen und über aufreißende Felsspalten springen. Diese Art von Reaktionstest wird es im Verlauf des Spiels noch häufig geben. Auf der Insel wimmelt es von Anhängern einer Sekte, deren wahnsinniger Anführer das Erbe der Sonnengöttin beansprucht. Fortan kämpft Lara nicht nur um ihr eigenes Überleben, sondern auch um das ihrer Forscherkollegen. Die Insel bietet zwar keine völlig offene Spielwelt. Die einzelnen Gebiete – Wälder, Höhlen, Tempel und schroffe Gebirgslandschaften – erlauben viel Bewegungsfreiheit und wurden eindrucksvoll in Szene gesetzt.

In „Tomb Raider“ wird schnell deutlich, dass es sich um eine neue Lara handelt. Sie kann zwar klettern und springen wie ihre Vorgängerin, dabei geht jedoch eine ganze Menge schief. In den ersten zwei Spielstunden stürzt Lara von Bäumen und Felsen, ertrinkt fast, wird von Dornen aufgespießt und von Wölfen gebissen. Schon bald ist ihr Körper zerschunden, mit letzter Kraft schleppt sie sich über die lebensfeindliche Insel. „Im Gegensatz zu den früheren Spielen sieht man hier deutlich, wie verletzlich Lara ist“, sagt Spielexpertin Linda Breitlauch, Professorin an der Mediadesign-Hochschule in Düsseldorf. „Lara hat Angst um ihr Leben und ist kurz davor, die Nerven zu verlieren. Das macht sie menschlich sehr viel nachvollziehbarer.“

Am Image der neuen Lara Croft hat auch die Synchronisation großen Anteil. In der deutschsprachigen Fassung ist es die Berliner Schauspielerin Nora Tschirner, die Lara ihre Stimme leiht. Tschirner („Keinohrhasen“) stammelt und schreit so überzeugend, dass man sich unweigerlich in die Haut der verletzlichen Lara hineingezogen fühlt. Die größte Herausforderung sei die Szene gewesen, in der Lara zum ersten Mal einen Menschen tötet, sagt Tschirner.

Rätsel spielen im aktuellen „Tomb Raider“ eine geringere Rolle als in den Vorgängertiteln. Gerade mal sieben Grabstätten darf Lara im Lauf des gesamten Spiels plündern, dazu noch ein paar Hindernisse in der Landschaft überwinden. Dabei klettert sie, springt und benutzt ihren Bogen, mit dem sie auch Kletterseile verschießen kann. Die Kämpfe nehmen im Lauf des Spiels eine immer größere Rolle ein: Nach und nach rüstet sich Lara mit Äxten, Revolvern und Maschinenpistolen aus, um ihre Gegner gleich hundertfach ins Jenseits zu befördern – nicht umsonst hat das Spiel eine Altersfreigabe ab 18 Jahren. Das blutige Treiben ist gewiss nicht jedermanns Sache, und auch Laras Wandlung von der unerfahrenen College-Absolventin zur perfekten Kampfmaschine ist nicht gerade glaubwürdig. „Bei einem Spiel wie ,Tomb Raider‘ kann ich über Ungereimtheiten in der Charakterentwicklung aber hinwegsehen, weil die Action im Mittelpunkt steht“, sagt dazu Linda Breitlauch. Die Wissenschaftlerin glaubt, dass es wohl noch eine Weile dauert, bis Computerspielfiguren das Niveau von Shakespeare-Charakteren erreichen: „Die Game-Designer haben da noch einen weiten Weg vor sich.“

Im Berliner Computerspielemuseum gastiert noch bis zu 15. April eine Sonderausstellung zu „Tomb Raider“. Karl-Marx-Allee 93a, 10243 Berlin, 10 bis 20 Uhr, 8 Euro, ermäßigt 5 Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false