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Video des Schreckens. Kurz vor ihrem Tod erzählte sie von ihrem Leid.

© AFP

Trauer um 15-Jährige: Cybermobbing trieb Amanda Todd aus Vancouver in den Tod

Der Fall der 15-jährigen Amanda Todd in Vancouver bewegt die Welt: Ein Fremder hatte sie im Internet vor Freunden und Klassenkameraden bloßgestellt. Auch wenn Vancouver weit weg klingt: In Deutschland fordern Experten bisher vergeblich Maßnahmen gegen Cybermobbing.

„Hallo! Ich habe mich entschieden, euch meine unendliche Geschichte zu erzählen.“ So beginnt Amanda Todd ihre Video-Erzählung auf Youtube. Es ist die tragische Geschichte eines Lebens voller Mobbingattacken im Netz. Die Schülerin aus dem kanadischen Vancouver kann sie nicht mehr ertragen, als sie das Video im September ins Internet stellt.

Am Mittwoch hat sich Amanda das Leben genommen. Sie wurde 15 Jahre alt. Das Video war ihr letzter Hilferuf, der nicht gehört wurde. Acht Minuten lang hält sie Karteikarten in die Kamera, die ihr Leid dokumentieren.

Es beginnt mit einem Webcam-Chat, Amanda ist in der siebten Klasse, will einfach mal „mit neuen Leuten reden“. Ein Fremder schreibt ihr, sie sei wunderschön. Dann bittet er sie, sich auszuziehen. Amanda zieht ihr T-Shirt hoch.

Ein Jahr später erhält sie eine Drohung über Facebook. Es ist wieder der Fremde, er hat das Nacktfoto aus dem Chat gespeichert. Nun erpresst er sie. „Er kannte meine Adresse, meine Schule und die Namen von Freunden, Verwandten und meiner Familie“, heißt es auf einer von Amandas Karteikarten. Der Fremde schickt das Nacktfoto an Amandas Freunde und Klassenkameraden.

Auch als sie die Schule wechselt, verschickt er es weiter. Amandas Freunde wenden sich von ihr ab. „Ich habe jede Nacht geweint“, schreibt sie.

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Amandas tragische Geschichte hätte auch in Deutschland spielen können. Studien zufolge wurde hierzulande jedes dritte Kind schon einmal im Netz belästigt. „Es wird viel zu wenig getan“, kritisiert Catarina Katzer, Sprecherin des Bündnisses gegen Cybermobbing. Einige Aktionstage und Initiativen versuchten zwar, Schüler für das Thema zu sensibilisieren. „Was aber fehlt, ist ein flächendeckendes Gesamtkonzept.“ Katzer fordert, Präventionsmaßnahmen gegen Cybermobbing in den Schulen zu verankern, am besten durch das Schulfach „Medienerziehung“, wie es bald in Großbritannien eingeführt werden soll. „Das Schlimmste ist, dass Mobbingopfer oft keinen Ansprechpartner finden. Erst wenn etwas Schlimmes passiert, ist das Mitgefühl plötzlich groß.“

Nach Bekanntwerden der Nacktfotos, bekommt sie Depressionen

Nach ihrem Selbstmord hat das Mitgefühl auch Amanda erreicht. „Rest in peace“ steht auf der Facebook-Seite, die Trauernde nach ihrem Tod erstellt haben. Mehr als 300 000 Personen haben die Seite schon weiterverbreitet.

Vor dem Tod der 15-Jährigen aber interessierte sich kaum jemand für ihr Leid. Nach Bekanntwerden des Nacktfotos bekommt Amanda Depressionen, nimmt Tabletten und trinkt Alkohol. Dann lernt sie noch einmal einen Jungen kennen und sucht Zuflucht bei ihm. „Ich dachte, er mag mich.“ Nachdem die beiden Sex hatten, lässt der Junge Amanda fallen und entscheidet sich für seine damalige Freundin.

Das Mobbing geht in die nächste Runde. Vor ihrer Schule wird Amanda von der wütenden Freundin des Jungen verprügelt, fünfzehn Schüler feuern sie dabei an. Als sie an diesem Abend nach Hause kommt, will Amanda ihrem Leben ein Ende machen. „Ich trank Bleichmittel.“ Der Selbstmordversuch scheitert, im Krankenhaus wird ihr rechtzeitig der Magen ausgepumpt.

Wieder zu Hause schaltet Amanda den Computer ein und findet neue Hassmails und Fotos von Bleichmittelflaschen. Ihre Eltern ziehen noch einmal mit ihr um, aber die Nachrichten folgen ihr. „Sie sollte ein anderes Bleichmittel versuchen, dann stirbt sie hoffentlich“, schreibt einer. „Ich habe niemanden, ich brauche jemanden“, schreibt sie am Ende des Videos. Nach Amandas Tod hat das Hackernetzwerk Anonymous nun Namen und Adresse des vermeintlichen Täters ins Netz gestellt. Ein Ermittlungsergebnis gibt es aber noch nicht.

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