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Ben Scott hat die NGO "Free Press" mitgegründet, die sich für Internetfreiheit einsetzt. Von 2010 bis 2012 war er netzpolitischer Berater von Hillary Clinton. Zurzeit ist er Fellow der Stiftung Neue Verantwortung in Berlin.

© privat

Wer regiert das Internet?: "Die amerikanische Regierung spielt eine wichtige Rolle"

Ein Großteil der Technik des Netzes wird von den USA aus verwaltet. Ben Scott, ehemals netzpolitischer Berater von Hillary Clinton, spricht über die Rolle und die Interessen der USA bei der "Internetregierung".

Von Anna Sauerbrey

Herr Scott, wer regiert denn nun das Internet?

Alle und niemand. Das Internet ist dezentral organisiert. Es wurde als Forschungsnetzwerk gegründet und war nie als globales Kommunikationsnetzwerk gedacht. Als das Internet begann, weitere Kreise anzuziehen, wurden Organisationen gegründet, die sicherstellen sollten, dass technisch alles funktioniert. Nun, da das Internet fast überall auf der Welt eine wichtige Rolle im Alltag spielt, stellt sich die Frage der „Internetregierung“ neu. Dafür gibt es zwei Gründe: Macht und Geld. Je mehr Wohlstand die Internetwirtschaft generiert, desto mehr wünschen sich Regierungen aller Welt, dass ihr Land einen möglichst großen Anteil daran hat. Außerdem ist das Internet heute ein wichtiges Werkzeug für politische Bewegungen, das macht Regierungen Angst, die ihre Macht sichern wollen.

Versuchen also vor allem autoritäre Staaten, mehr Einfluss zu gewinnen?

Jedes Land hat ein Interesse daran, mitzubestimmen. Die Länder des Westens wollen die Idee des Pluralismus auch auf das Internet übertragen. Autoritäre Regierungen hingegen fürchten das pluralistische Modell. Wir sollten aber auch die Schwellenländer nicht vergessen. In diesen Ländern ist erst seit jüngster Zeit, seit der Verbreitung mobiler Technologien, eine Mehrheit der Bevölkerung online. Nun wollen auch sie stärker mitbestimmen. Es ist übrigens nicht so, dass diese Länder bewusst ausgeschlossen werden.

Sie müssen sich erst einmal bewusst werden, dass Beteiligung überhaupt wichtig ist?

Ja, oft sind es ganz praktische Fragen. Als früherer Regierungsmitarbeiter weiß ich, dass es nicht damit getan ist, dass ein Politiker sagt, so, wir müssen jetzt mal beim Regierungsbeirat der ICANN mitmachen. Man braucht Leute die Expertise mitbringen, die sich in den Institutionen der Internetverwaltung Gehör verschaffen können und Kontakt zu den wichtigen Unternehmen haben. Die baut man nicht über Nacht auf.

Bevor Sie im Sommer nach Berlin gekommen sind, haben Sie für Hillary Clinton gearbeitet. Wie wichtig nimmt die US-Außenministerin das Thema?

Die amerikanische Regierung hat von Anfang an eine wichtige Rolle gespielt. Als ich ins Außenministerium gekommen bin, gab es schon einen ganzen Stab von Leuten, die den ganzen Tag nur über das Thema „Internet Governance“ nachdenken. Leute, die eher einen wirtschaftlichen Fokus haben, andere, die sich mit Sicherheits- oder mit Menschenrechtsfragen befassen. Ein Kernteam fährt zu jeder Konferenz der ITU und kümmert sich um die Beziehungen zur Icann und so weiter. Während meiner Zeit im Außenministerium hat sich die Bedeutung des Themas aufgrund dramatischer Ereignisse, bei denen das Netz eine Rolle spielte, noch einmal gesteigert, wegen des Arabischen Frühlings zum Beispiel.

Wo steht das Thema „Netzregierung“ ganz aktuell auf der der Agenda der US-Außenpolitik?

Ziemlich weit oben. Wir sind der Ansicht, dass gerade ein mehrjähriger Veränderungsprozess beginnt. Da viele neue Länder mitreden wollen, gibt es jetzt auch die Chance, uns zu verständigen, wie das Internet in zehn oder zwanzig Jahren aussehen soll und wer für was in welcher Institution verantwortlich sein soll. Das sind große Entscheidungen, die Auswirkungen für sehr viele Menschen haben werden.

 Welche Bedeutung hat der Gipfel in Dubai für den Prozess, den Sie beschreiben?

Ein einzelnes Treffen hat noch nie zu umstürzenden Veränderungen geführt und wird es auch dieses Mal nicht tun. Allerdings wird in Dubai die Agenda der Themen festgezurrt, die in den nächsten fünf Jahren entschieden werden.

 Was ist denn die Vision der Amerikaner für die Zukunft des Internets?

Washington ist weitgehend einverstanden mit der Art und Weise, wie das Internet heute regiert wird, mit der Verwaltung durch das „Multi-Stakeholder-Modell“, das heißt, es wird Wert darauf gelegt, dass es eine möglichst breite Beteiligung von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gibt. Die USA werden eher versuchen, das bestehende Modell zu reformieren, statt es zu ersetzen. Das macht auch Sinn, denn das jetzige Modell ist ziemlich erfolgreich.

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