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Digitalisierung: Das D-Wort

Das D-Wort steht für Verheißung und Verunsicherung zugleich. Schon seit Jahren geistert es als Symbol der radikalen Neuordnung der Medienindustrie durch Verlage und Sender. Liga-TV, Web 2.0, Mediatheken – die Medienwoche im Zeichen der Digitalisierung.

Unter dem Berliner Funkturm, in der „Funkturm Lounge“, sitzen die zwei wichtigsten Männer des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in schwarzen Ledersesseln auf einer Bühne. Kurz vor Eröffnung der Internationalen Funkausstellung (Ifa) sprechen sie über die Zukunft des Fernsehens. Hinter ihnen prangen die Logos der beiden Sendeanstalten, auf einer Videoleinwand läuft ein Film, der für den Stellenwert frei zugänglicher Information wirbt. „Wir sind der Innovationsmotor in die Welt der Digitalisierung“, sagt ZDF-Intendant Markus Schächter. Wenn er nicht spricht, schaut Schächter etwas entrückt in die Ferne, als ob sich dort das Tor in die neue Medienwelt auftäte. Sein Kollege, der ARD-Vorsitzende Fritz Raff gibt sich etwas weniger sendungsbewusst. Der Ausbau von digitalen Kanälen wie EinsExtra und ZDFinfo werde vorangetrieben, wie auch die Verbreitung des Programms im Internet und auf dem Mobiltelefon. „Wer als TV-Anbieter nicht ins Netz geht, hat keine Zukunft“, ist das Mantra von Markus Schächter.

Früher war die Ifa die Zukunft, eine große Show, mit Thomas Gottschalk und Günther Jauch im Nachmittagsprogramm auf dem Messegelände. Heute ist die IFA weniger glamourös, wieder technikbetonter. Und eines der wichtigen Foren für Medienpolitik in Deutschland. Denn parallel zur Funkausstellung findet im ICC die Medienwoche statt, ein Kongress, auf dem Experten die Trends der Branche diskutieren. Im Mittelpunkt steht – kein Wunder – die Digitalisierung.

Das D-Wort steht für Verheißung und Verunsicherung zugleich. Schon seit Jahren geistert es als Symbol der radikalen Neuordnung der Medienindustrie durch Verlage und Sender. Erst jetzt geht ein Ruck durch die Unternehmen, werden erste Konsequenzen der Digitalisierung beim Verbraucher bemerkbar. So sollen die Zuschauer mit der zunehmenden Fülle an Fernsehprogrammen zu ihren eigenen Programmdirektoren werden, die ihre Wunschsendungen unabhängig von Tageszeit und Kanal schauen können. Via Internet können sie nicht nur passiv konsumieren, sondern aktiv teilhaben – mit eigenen Beiträgen. Web 2.0 nennt sich das im Branchenjargon.

Die Veranstalter der Medienwoche, das Medienboard Berlin-Brandenburg und die Medienanstalt Berlin-Brandenburg, sprechen von einer „Transformation“ der Medien. Die Elefantenrunde am Montag, auf dem UFA-Chef Wolf Bauer, Yahoo-Deutschlandboss Terry von Bibra oder Burda-Managerin Christiane zu Salm sprechen, trägt den Titel „Internet: Das neue Leitmedium?“ Wer weiß schon, was die Technik machen wird mit Zeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Radiosendern? Die Vertreter der traditionellen Medien beziehen sich gerne auf das Rieplsche Gesetz, nach dem bisher kein neues Medium ein altes abgelöst hat. Ob diese Regel auch für das Internet gilt? „Wir müssen das Rad auch ein Stück weit neu erfinden“, sagte Burda-Frau zu Salm neulich in einem Interview.

Einer der Hauptredner am Montag ist Mark Goldman, Chef des US-Kabelsenders Current TV, an dem der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore beteiligt ist. Ein Teil des Programms wird von Zuschauern beigesteuert. Current TV liebäugelt mit dem Einstieg in den deutschen Markt. Höhepunkt am Dienstag ist die Rede des BBC-Chefs Mark Thompson. Von ihm stammt der Satz, die Zukunft des Fernsehens sei „on demand“, „auf Abruf“. Zu den weiteren Schwerpunkten der Medienwoche zählt die Zukunft des digitalen Kinos und Radios sowie die Fußball-Bundesliga im Fernsehen.

Eines der für die Öffentlich-Rechtlichen wichtigsten Themen wird am Ende der Medienwoche nicht ausdiskutiert sein: die Frage, was ARD und ZDF im Internet dürfen. Kommerzielle Sender sowie Zeitungs- wie Zeitschriftenverlage wollen einer ungebremsten Expansion der Anstalten im Netz Einhalt gebieten. Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag soll Grenzen definieren. Unter anderem soll es den Sendern nur möglich sein, aktuelle Beiträge sieben Tage lang in ihre Online-Mediatheken zu stellen. Bei Sportereignissen beträgt die Frist einen Tag. Nur „sendungsbezogene“ Inhalte sollen abrufbar sein. „Das tut uns weh“, sagt Raff in der Funkturm-Lounge. Man werde bis zum Schluss gegen diese Pläne, die von den Ministerpräsidenten abgesegnet werden müssen, kämpfen. Er werde eine Reihe von Gesprächen führen, sagt Schächter. „Wenn sich der Pulverdampf gelegt hat, heißt das Schlüsselwort Kooperation.“ Bereits jetzt gebe es Verabredungen seines Senders mit Verlagen für eine gemeinsame Zusammenarbeit. Unterm Funkturm ist die digitale Welt für einen Moment in Ordnung.

www.medienwoche.de

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