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Abseits von Talk und Facebook. Die Macher um n-tv-Moderator Louis Klamroth (Zweiter v. re.) wollen einen Raum für Diskussionen mit Andersdenkenden schaffen.

© Screenshow: Tsp

Diskussionsplattform im Internet: Wir müssen reden!

Eine Diskutierplattform will Andersdenkende zum Polit-Speed-Dating bringen. Menschen, sagt Moderator Louis Klamroth, sollen mehr Mut haben, sich anderen Meinungen zu stellen.

Die Wehrpflicht sollte wieder eingeführt werden – und damit wieder der Zivildienst. Krankenhäuser und Pflegeheime könnten dann, ohne schrottige Bundeswehrreform, besser organisiert werden. Mit der Forderung lässt sich gut provozieren, vorzugsweise Bundeswehr-Gegner auf Facebook. Man kann über das Thema im Internet seit ein paar Tagen aber auch in ein vernünftiges Gespräch mit Andersdenkenden kommen: auf dem Portal diskutiermitmir.de. Die einen diskutieren nämlich im Fernsehen, im „TV-Duell“. Selbst wenn dort am Sonntagabend aber 20 Millionen Zuschauer zugesehen haben sollten – für viele junge Menschen ist Fernsehen obsolet. Die sind nur noch online. Schade nur, wenn der Austausch von Argumenten auf Sozialen Netzwerken allzuoft aufs Pöbeln hinausläuft.

Nach Pöbeln sieht Louis Klamroth, 27, nicht gerade aus. Seit Freitag hat der n-tv-Moderator („Klamroths Konter“) mit Freunden das Portal diskutiermitmir.de ins Netz gestellt. Ihm war schon länger aufgefallen, dass online und offline der Dialog mit Andersdenkenden zu kurz komme. „Debatten und Auseinandersetzungen mit Menschen, die politisch anders ticken als man selber, werden immer seltener. Das versuchen wir zu ändern.“ Russland? Diesel-Skandal? Merkel oder Schulz? diskutiermitmir.de soll Meinungsblasen zum Platzen und politisch Andersdenkende Menschen in eine Diskussion bringen.

Das Prinzip ist denkbar einfach: Auf der Website ordnet man sich einer Partei oder politischen Richtung zu und wird mit einer Person, die politisch möglichst weit entfernt von einem selber steht, in einem Eins-zu-Eins-Chat zusammengebracht. Das Ganze anonymisiert. Ein erster Selbstversuch am Wochenende gestaltet sich noch etwas zäh, was die Interaktion betrifft. Die These, der Staat müsse nach G20 härter mit Linksextremismus umgehen, verhallte im leeren Raum. In dem Fall wird weg geklickt, das nächste Gespräch gesucht. Da ging es um die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Klamroth verwies am Sonntag darauf, dass manche User Probleme mit dem System haben könnten. „Die Resonanz in den ersten Tagen war aber super. Wir haben mehr als 30 000 Zugriffe auf die Seite, 5000 Gespräche ermöglicht und positives Feedback von Usern bekommen.“

Vorbild aus Holland

Das Vorbild dazu kommt aus Holland. „Es gab ein Modellprojekt, welches Freunde von mir in Holland im Vorfeld der Wahlen gestartet haben, auf www.waaromkiesjij.nl. Die haben es geschafft, 35 000 Konversationen in vier Wochen zu ermöglichen.“ Der Moderator hofft auf mindestens genauso viele Gespräche zwischen Andersdenkenden. „Ein wünschenswerter Nebeneffekt wäre natürlich, wenn unsere Plattform Menschen dazu animiert, wählen zu gehen.“

Auf die Beine gestellt hat das Louis Klamroth (Sohn des Schauspielers Peter Lohmeyer) mit seinen Freunden Niklas Rakowski, Claire Samtleben und Moritz Hohenfeld. Die drei Freunde kennen sich schon seit der Schulzeit und möchten abseits von Polit-Talk und Facebook-Kommentarspalten neue Diskursräume schaffen. Das Motto: Politik wird nicht nur in Berlin und in Talkshows gemacht. „Die Debatte beginnt bei uns!“

Ziel sei es, auch nach der Bundestagswahl mit dem entwickelten Diskussions-Tool, das ähnlich wie der kürzlich vorgestellte Wahl-O-Mat von der Bundeszentrale für politische Bildung finanziert wird, Debatten zu ermöglichen. Vorstellbar seien, so  Klamroth, regionale Wahlen und Volksentscheide, bei denen das Tool eingesetzt werden könnte, um eine Plattform für Meinungsaustausch bereitzustellen. „Großes Ziel ist die Europawahl 2019. Dann wollen wir eine Plattform für politische Diskussionen auf europäischer Ebene schaffen.“

Jetzt konzentriert sich das Start-up auf die Bundestagswahl und hofft, dass viele Menschen den Mut haben werden, sich anderen Meinungen zu stellen. Da gibt es nach dem großen „TV-Duell“ mit Merkel und Schulz am Sonntag vielleicht noch mehr Lust auf eine Speed-Dating-Plattform für politischen Dialog. Mit dem Thema Wehrpflicht zum Beispiel.

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