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© ARD

Doku: Angst vor sich selbst

Michael Strauven zeigt Alfred Hitchcock in einer neuen Doku auch als obsessiven, zerrissenen Zeitgenossen.

Angst. Angst in all ihren Formen und Varianten. Sie zieht sich durch sein gesamtes Leben und Arbeiten. Angst, neben der Liebe einer der wesentlichen grundlegenden Lebensantriebe der Menschen überhaupt, war eines der zentralen Leitmotive von Alfred Hitchcock. „Ich war immer allein“, sagte er über seine Kindheit. Da mag es nicht verwundern, dass der Regisseur später die Kino-Zuschauer erschauern ließ, sie mit einem in die Filmgeschichte eingegangenen Duschmord schockte, bei dem man trotz des Schwarzweiß-Materials das Blut in der Wanne zu sehen glaubt, obgleich es nur Schokoladensoße ist, oder Schwärme von aggressiven Vögeln auf die Menschheit losließ.

Nun zeigt die ARD als letzten Beitrag ihrer „Legenden“-Staffel eine Dokumentation über Alfred Hitchcock, der am 13. August 110 Jahre alt geworden wäre. Michael Strauven liefert mit seiner fundierten Hitchcock-Doku die beste der aktuellen Arbeiten des „Legenden“-Jahrgangs 2009. Erstmals sind von den Enkelinnen Hitchcocks freigegebene Familienaufnahmen im Fernsehen zu sehen. Filmaufnahmen, die in den 30er Jahren auf dem englischen Landsitz der Hitchcocks in Shamley Green außerhalb Londons entstanden und Hitchcock bei neckischen Spielchen und Albernheiten im Garten zeigen. Eine kleine Sensation.

53 Kinofilme in rund 50 Jahren hat Alfred Hitchcock geschaffen, ein umfangreiches und Generationen von Regisseuren und anderen Künstlern nachhaltig prägendes Lebenswerk. Einige seiner Filme sind kulturhistorisches Allgemeingut: „Berüchtigt“, „Das Fenster zum Hof“, „Vertigo“, „Psycho“ oder „Die Vögel“. Es sind Angst-Filme. Kinematographische Tagträume. „Mentale Bilder“ nannte der französische Philosoph Gilles Deleuze die Filme Hitchcocks. Alfred Hitchcock, geboren am 13. August 1899 in London, gestorben am 29. April 1980 in Los Angeles im Alter von 80 Jahren, ist wahrscheinlich der bedeutendste Filmregisseur des 20. Jahrhunderts. Seinen Lebens- und Arbeitsstationen wird hier chronologisch nachgegangen. Vielleicht wird in dieser Dokumentation die obsessive, dunkle Seite des Regisseurs etwas zu stark betont, und werden dabei andere sympathischere Aspekte dieses so scheuen, humorigen und sensiblen Menschen vernachlässigt. Wenn Tippi Hedren etwa – Hauptdarstellerin in „Die Vögel“ und „Marnie“ – im Interview von den Quälereien und Verfolgungen durch Hitchcock erzählt, dann kommt die Tatsache zu kurz, dass Hitchcock das nicht als Schauspielerin ausgebildete Werbemodel aus dem Nichts zur Hauptdarstellerin erkor. Alfred Hitchcock, der Erfinder des „Suspense“, war ein zutiefst einsamer Mensch. Einer, der niemandem zu trauen schien. Einer, der sich verschanzte hinter seinem intelligenten Humor und makabren Sottisen. Einer, der sein Leben lang Angst hatte, nicht zuletzt wohl auch vor sich selbst. Thilo Wydra

„Legenden – Alfred Hitchcock“, Montag, ARD, 21 Uhr

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