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Eine französische Karikatur auf Bismarck, der Afrika als Kuchen verteilt. Foto: Arte

© akg-images

Doku: Mummenschanz mit Lineal

Und dann kam die Kolonialisierung: Eine besondere Doku-Fiktion zur Kongo-Konferenz 1885 in Berlin.

Ab dem 15. November 1884 wurde in Berlin „eine Sache des Friedens und der Humanität“ verhandelt. So begrüßte der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck die europäischen Diplomaten, die in den kommenden Wochen über die Zukunft Afrikas berieten. Zwar bezogen die Kolonialherren keinen einzigen Afrikaner mit ein, doch sie waren voller guter Vorsätze: „Unsere Regierungen teilen den Wunsch, den Eingeborenen Afrikas den Anschluss an die Zivilisation zu ermöglichen, indem das Innere dieses Kontinents für Handel und Bildung erschlossen wird und damit begonnen wird, der Sklaverei ein Ende zu machen“, sagte Bismarck, jedenfalls laut der synchronisierten Fassung des auf Französisch gedrehten Arte-Films „1885: Der Sturm auf Afrika“. Auch die Konferenzsprache war vor 125 Jahren Französisch. Die Eroberer jedenfalls glaubten doch tatsächlich, ein gutes Werk zu tun – als Angehörige der weißen Rasse und einer überlegenen Zivilisation.

Die Kongo-Konferenz, die bis zum 26. Februar 1885 im Reichskanzlerpalais an der Berliner Wilhelmstraße abgehalten wurde, gilt denn auch als Startschuss zur umfassenden Kolonialisierung des Kontinents. Vor allem Portugal, Frankreich und Großbritannien hatten bereits einige Gebiete, insbesondere an den Küsten, unter ihre Kontrolle gebracht. Nun sollten noch Regeln für die weitere Eroberung aufgestellt werden, um größere Konflikte unter den europäischen Mächten zu vermeiden.

Vereinbart wurden etwa Handelsfreiheit, freie Schifffahrt auf den Flüssen und das „Prinzip der Effektivität“, das heißt: Ansprüche auf Gebiete können nur erhoben werden, wenn sie tatsächlich und nicht nur auf dem Papier in Besitz genommen werden. Auch der Sklavenhandel wurde verboten – und vielerorts durch Zwangsarbeit ersetzt. So weit ging die Fürsorge der „zivilisierten“ Mächte dann doch nicht, dass man den „Eingeborenen“ Lohn für ihre Arbeit zahlen wollte.

Bismarck konnte sich in Berlin als ein europäischer Vermittler in Szene setzen, doch zum Triumph wurde die Konferenz für den nicht anwesenden belgischen König Leopold II., dessen Internationale Kongo-Assoziation anerkannt wurde. Per Lineal entstand im Zentrum Afrikas somit ein gewaltiger Privatstaat, in dem in den folgenden Jahren durch Ausbeutung, Krankheit und Hunger Millionen Menschen starben. Bis zum Ersten Weltkrieg teilten die europäischen Mächte den Kontinent nahezu vollständig unter sich auf.

Ein bedeutsames Stück Geschichte also, von dem es natürlich keine Originalaufnahmen gibt. Im Bildermedium Fernsehen wird so etwas heutzutage gerne nachinszeniert und dann Doku-Fiktion genannt. Der Versuch von Joël Calmettes geht jedoch als besonders unbefriedigend in die TV-Historie ein.

Die Faszination der Ausstattung mit der gewaltigen Afrika-Karte am Kopfende des prächtigen Saals ist schnell vorbei, wenn die auf 19. Jahrhundert kostümierten Schauspieler übermäßig steif umherstaksen und Zitate aus den Akten hersagen. Ein verstaubter historischer Mummenschanz, den die deutsche Synchronisation auch nicht gerade erträglicher macht. Die eigentliche Bedeutung der damaligen Diplomatensprache muss aus dem Off erklärt werden und bleibt dennoch häufig unverständlich, weil die politischen Hintergründe viel zu dürftig ausgeleuchtet werden. Von den zahlreich aufgebotenen Historikern dürfen die meisten nicht mehr als ein, zwei Sätze sagen. Immerhin sind hier, 125 Jahre nach der Kongo-Konferenz, nicht nur westliche Professoren, sondern auch afrikanische dabei. Thomas Gehringer

„1885: Der Sturm auf Afrika“,

Arte, 20 Uhr 15

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