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Auf Veränderung verständigen. Die Intendantin des Berliner Maxim-Gorki-Theaters Shermin Langhoff und ihr Ko-Intendant Jens Hillje

© Arte

Doku über Kultur und Knete: Und der Haifisch, der hat Karies

Eine Arte-Doku fordert mit Vehemenz: „Kultur – Koste es, was es wolle“. Und kommt darüber nicht hinaus.

Das Internationaal Danstheater in Amsterdam hat ein Problem, seitdem seine Förderung auf null heruntergefahren wurde. Was tun? Man verkauft die Immobilie, entlässt viele Mitarbeiter und beschäftigt die Tänzer nur noch für einzelne Projekte und dann auf Honorarbasis. In den Niederlanden, wo die Regierung die Ausgaben für Kultur um vierzig Prozent drastisch gesenkt hat, ist dies kein Einzelfall. Woanders sieht es besser aus: Im westfranzösischen Nantes etwa beschert das Eventprogramm „Voyage à Nantes“ der Stadt jeden Sommer einen steigenden Besucherboom, und in Berlin, wo der Kulturetat jüngst deutlich angehoben worden ist, drängen junge Talente zuhauf in die etablierten Häuser oder hoffen, über Crowdfunding, die jüngst geborene Sponsorenidee für Newcomer, doch noch in die erste Reihe vorzudringen.

„Es ist wie im Haifischbecken“, kommentiert eine Sängerin, die im subventionierten Konzerthaus am Gendarmenmarkt auftreten darf, die harte Konkurrenzsituation. Aber wofür steht Kunst, ob sie viel oder wenig kostet, will Reinhild Dettmer-Finke, die Autorin der Arte-Doku, in nur fünfzig Minuten Sendezeit herausfinden. Im Gorki-Theater kommt diese Frage gut an. „Wir wollen die Stadt verändern“, lautet das Credo der Intendantin Shermin Langhoff, die das Haus erfolgreich in ein Biotop der interkulturellen Verständigung umgewandelt hat. Die Autorin will es noch genauer wissen und befragt den Psychologen und Kunsterzieher Karl-Josef Pazzini. „Kunst ist Lebensmittel“, lautet die griffige Antwort, verhilft der Umgang mit Kunst doch, so die Hoffnung, zu mehr Fähigkeit, auf neue Fragen im Leben neue Antworten zu finden. Dazu müssen Bilder, Ideen, Emotionen gespeichert werden, so wie sich die Eiszeitmenschen, fügt Pazzini hinzu, durch ihre Höhlenmalerei in (Jagd-)Stimmung versetzten.

Kunst in Zeiten der Selbstvermarktung

Auf diesem Terrain haben ihm und dem Film große Philosophen vorgearbeitet, angefangen mit Aristoteles, der sich von der Kunst, vor allem vom Theater, eine das Gemüt von den Affekten befreiende Katharsis versprach. Ob dies heute, im Zeitalter der Selbstvermarktung, noch allgemeiner Konsens ist, lässt der Film außen vor. Für ihn ist Kunst per se eine tolle Sache. Offen bleibt aber auch die von ihm eingangs gestellte, auf Berlin derzeit nicht zutreffende Frage, weshalb in den Finanzverwaltungen bei Haushaltsnot der Rotstift immer oder oft zuerst bei den Kulturausgaben angesetzt wird. Die Autorin scheint sie über faszinierende Probenerlebnisse und Kurzinterviews mit einigen Maestros (oder solchen, die es werden wollen) völlig vergessen zu haben. Ängstigte sie der Weg zu den Kulturbeamten, verschloss man vor ihr die Tür? Es ist nicht gut, wenn eine Doku ihr Thema vergisst, zu dem hier auch die Frage nach dem Kunstmarkt als Form spekulativer Geldanlagen gehören muss. Für ein gutes Statement am Schluss ist jedoch trotzdem gesorgt. „Was hält die Welt zusammen?“, fragt der Dirigent Kent Nagano und hat selbst die Antwort bereit: „Mit Sicherheit ist es nicht der Finanzmarkt.“ Nur, wer sagt, dass es die Kunst sein wird?

„Kultur – Koste es, was es wolle!“, Arte, Mittwoch, 21 Uhr 50

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