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Larissa ganz nachdenklich.

© RTL

Dschungelbuch (2): Hitler. Penis. Schabowski. Shitstorm!

RTL will es wissen. Das Dschungelcamp ist für den bejahrten Privatsender die ureigene Ekelprüfung: Am Schweißrand der Moderatoren sieht man, wie sehr sich der Sender um Trash bemüht. Doch die „Stars“ gehen ihre eigenen Wege – Tag zwei im Dschungel.

Das ist für aufmerksame Ohren natürlich ein gesellschaftspolitischer Parforceritt. Einen Hitler-Vergleich, einen Schabowski-Zitat, einen Penis-Witz und noch das Wörtchen „Shitstorm“ in einer zweiminütigen Anmoderation unterzubringen – keine Frage: Sonja Zietlow und Daniel Hartwig, die Dschungelcamp-Moderatoren legen sich mächtig ins Zeug. „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ hat seinen ersten ganzen Tag hinter sich und Zietlow/Hartwig hauen das Model Larissa Marolt in die Österreicherpfanne („Wer hätte denn denken können, dass die Deutschen je einen Österreicher nicht leiden konnten.“) und frotzeln über des Schauspieler Winfried Glatzeders „Glatzenpete“.

So viel Raffinesse und Pippi-Kacka-Humor in einer Moderation zeigt: Das Dschungelcamp ist längst nicht der banale Trash, der er seiner Maden-Optik nach zu sein scheint. RTL weiß um seine bildungsbürgerlichen Fans, die alle klammheimlich zuschalten. So gibt es die derben Sprüche, aber das Derbste zwischen den Zeilen.

Sonja Zietlow freut sich da, dass auf Larissa im Netz ein Shitstorm niederprasselt, den „Markus Lanz mit drei ‚Wetten, dass..?‘-Sendungen nicht hinbekommt“. Und es stimmt. Auf Twitter wurde die gestrige Sendung mit über 30.000 Tweets begleitet, das ist nur ein Zehntel dessen, was #btw13 zur Bundestagswahl aufbrachte .Und das Dschungelcamp hat noch zwölf Tage Zeit, dem Twitter-Affen weiter Zucker zu geben. Erstaunlich, wie viel Hass auf ein österreichisches Model in 140 Zeilen passt.

RTL kann die Erregung freuen – denn „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ ist für den Privatsender mehr als nur ein Quotenhit. Mit dem Format tritt der mit nunmehr 30 Jahren ins Alter gekommene Sender den Beweis an, immer noch flimmernder Zeitgeist zu sein. Die Show muss mit allen Mitteln gelingen, sie ist RTLs eigene Ekelprüfung.

Wenn Larissa wirr in die Kameras pöbelt – dann hat das was von DeNiro

Doch zurück zu Larissa: Die Ösi-Braut war in der gestrigen Sendung unbestrittenes Epizentrum. Gecastet wurde die Ex-Topmodel-Teilnehmerin wohl als launische Zicke. Tatsächlich schnarrt sie durch den Dschungel als eine, die hart an der Borderline entlangschrammt. Da wird jede verschwundene Zigarette zum Weltuntergang, jede abzuwaschende Pfanne zur Herkules-Aufgabe. Alles, was Larissa tut, tut sie kreischend und fahrig. Den anderen Campbewohnern bleiben irgendwann nur noch offene Münder und Schweigen.

Das ist der Moment, wo „Ich bin ein Star“ funktioniert: Wenn die Kamera hinguckt, wie alle nur noch gucken; wenn sie einfängt, wie die Prominenten selbst nicht mehr begreifen, ob sie nun in einer Show oder schon jenseits aller Scheinwerfer sind.

Winfried Glatzeder, der große Darsteller, kann dann nur noch murmeln: „Wenn sie [also die Larissa] das alles [also ihr Dauerkreischen] schauspielerisch leisten würde, dann sind wir alle arme Würstchen.“

Ja, vielleicht tut Larissa genau das. Immerhin: Nach ihren Topmodel-Versuchen und vor dem Dschungelcamp besuchte das Mädchen die renommierte Lee-Strasberg-Schauspielschule in New York. Dort waren Julia Roberts, Dennis Hopper, Robert DeNiro. Larissa schöpft von dieser Präsenz: Keine Kamera, in die sie nicht schaut, kein Buschmikro, das sie nicht entdeckt und kein Spiegel, den sie nicht voller Wut betrachtet. Man muss an DeNiro („Redest du mit mir?“) denken, wenn man jetzt Larissa („Verarschst du mich jetzt?“) auf dem Weg zur Dschungelprüfung sieht.

„Das ist alles so echt  - so widerlich“

Und damit wären wir wieder bei RTL und seinen Sorgen. Beim gestrigen Abend hatte das Moderatorenduo Zietlow/Hartwig die eigentliche Prüfung zu bestehen: Gegen die Urgewalt Larissa. Das Mädel polterte mit einer Kettenpanzerigkeit durch einen mit Krabbeltieren angereicherten Höhlengang, dass eigentlich die Plastiksterne, die Larissa einsammeln muss, rufen sollten: „Ich bin ein Stern, holt mich hier raus!“

Hartwig redete mit Baby-Sprech auf das Model ein, Zietlow zog die Augenbraue hoch. Wirklich gebraucht hat es die beiden allerdings nicht. Topmodel-gone-Dschungelcamp-Schaustellerin Larissa funktionierte auch ohne - gegen die Authentizität seiner eigenen Schöpfung kommt das Privatfernsehen nicht mehr an. Zietlow/Hartwig stehen mit schweißglänzender Stirn vor Palmen. So menschlich und dämlich und herzig wie die Kandidaten der aktuellen Staffel sind, können die Hitler-Penis-Shitstorm-Moderatoren gar nicht sein.

„Das ist alles so echt“, empört sich Larissa am Ende ihrer Prüfung, „so widerlich.“ Nein, es ist nicht widerlich, es ist herrlich. Realer – so in Larissa kein DeNiro steckt – war Reality-TV selten.

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