zum Hauptinhalt
Leichtes Gepäck. Mehrere Titel gleichzeitig können auf den E-Book-Readern wie dem Kindle von Amazon gespeichert werden. Die Händler bieten eine Auswahl von Klassikern bis hin zu neuen Büchern wie „Plötzlich Shakespeare“ von David Safier. Foto: Reuters

© Reuters

E-Book-Reader im Test: Kafka am Strand

Bücher werden immer mehr auf elektronischen Geräten gelesen . Wie leistungsfähig und komfortabel sind die E-Book-Reader?

Die Zukunft des Lesens ist digital – so jedenfalls betont es die Verlagsbranche. Und Onlineversender Amazon meldet, dass in den USA erstmals mehr elektronische Bücher als gedruckte Werke verkauft worden sind. Derzeit wetteifern in Deutschland gleich zwei auf den ersten Blick identische Konzepte um die Gunst der Käufer. Sowohl Amazon als auch die Thalia-Buchkette bieten jeweils ein eigenes Lesegerät zu einem Preis von deutlich unter 200 Euro an. Das Lesen von elektronischen Büchern soll damit so einfach und vor allem komfortabel wie nie sein.

DER KINDLE VON AMAZON

Den Kindle von Amazon gibt es in zwei Versionen. Wer sicher ist, dass er neuen Lesestoff lediglich in der Nähe eines offenen Wlan-Netzwerks kaufen wird, spart 50 Euro und greift zur Variante, die Wifi unterstützt. 189 Euro kostet dagegen das Lesegerät, das über eine 3G-Anbindung an Mobilfunknetze verfügt und damit den Einkauf unter freiem Himmel ermöglicht. Wer den Kindle für sich und über sein Amazon-Benutzerkonto erwirbt, erhält ein vorkonfiguriertes Gerät. Lediglich die Wlan-Verbindung muss eingerichtet werden. Nach dem ersten Einschalten zeigt sich, dass Amazon hinsichtlich des Displays in seiner Werbung nicht zu viel versprochen hat. Rein subjektiv ist beim E-Book kaum ein Unterschied zu einem Ausdruck auf Papier zu bemerken. Selbst auf der Terrasse oder am Strand kann der Kindle-Nutzer die gespeicherten Bücher lesen. Die besondere Bauform des Displays benötigt lediglich dann Strom, wenn der Inhalt des Bildschirms wechselt. Das erhöht die Standzeit einer Akkuladung. So musste das Gerät nach vier Wochen täglicher Nutzung erstmals mit dem Computer verbunden werden, um mit Strom versorgt zu werden. Wer den Kindle per Steckdose mit Energie versorgen will, muss bei Amazon das separat erhältliche Ladegerät erwerben. Zwischen den verschiedenen Menüs und Bereichen wird mittels eines zentralen Schalters navigiert. Das etwa bleistiftdicke Gerät liegt gut in der Hand.

THALIA UND SEIN OYO

Der Oyo wird von der Buchhandelskette Thalia als bevorzugter E-Book-Reader zum Preis von 139 Euro angeboten und unter der Regie von Medion in China gefertigt. Am Gehäuse sind lediglich Schalter für das Blättern und das Einschalten des Geräts angebracht. Alle weiteren Aktionen nimmt der Anwender über den Touchscreen des Geräts vor. Das entspiegelte Display kann ebenfalls gut im Sonnenlicht abgelesen werden, ist aber nicht so kontrastreich wie Amazons Kindle. Binnen kürzester Zeit legt sich eine Schicht an Fingerabdrücken auf die Lesefläche, was das Lesevergnügen trübt. Nach dem Auspacken muss der Anwender seinen Oyo konfigurieren. Dazu gehört sowohl die Einrichtung des Wlan als auch die Verbindung zu einem Benutzerkonto im Thalia-Buchshop. Für die Benutzereingaben blendet der Reader eine Bildschirmtastatur ein, reagiert aber ausgesprochen zäh auf die Eingaben. Diese Trägheit setzt sich auch bei der Aktualisierung der Anzeige fort. Offensichtlich ist das kleine Gerät stark damit beschäftigt, den Bildschirm neu zu zeichnen. Auch das Umblättern geschieht verglichen mit dem Kindle deutlich langsamer.

WIE KOMPATIBEL SIND DIE SYSTEME?

Die Entscheidung für einen der beiden Reader ist nicht allein eine Frage des Geschmacks oder der Funktionen. Der Kauf eines Lesegeräts bringt auch die Entscheidung für oder gegen die jeweils andere E-Book-Welt mit sich. Leider sind die Systeme nicht miteinander kompatibel, zumindest wenn es um kommerziell vertriebene Buchtitel geht. Diese aus Sicht der Leser sehr bedauerliche Einschränkung verstecken die Buchhändler geschickt in den technischen Beschreibungen der jeweiligen Geräte. Der Oyo setzt auf das EPUB-Format. Das Format ist quelloffen und gut dokumentiert. Auf den ersten Blick zwei gewichtige Argumente, die für seinen Einsatz sprechen. Der Vorteil relativiert sich aber spätestens dann, wenn der Zugriff auf die Dateien durch ein digitales Rechtesystem (DRM) abgesichert wird. Mit dem DRM soll die unkontrollierte Weitergabe der elektronischen Bücher verhindert werden. Um seine erworbenen Bücher auf dem eigenen PC zu verwalten, benötigen Käufer des Oyo das Programm Digital Editions von Adobe mitsamt einer kostenlosen Adobe-ID. Geht das Gerät einmal verloren oder ist die Festplatte des PC zerstört, können über dieses Benutzerkonto einmal erworbene Bücher wieder auf das Lesegerät übertragen werden.

Der Kindle dagegen nutzt das Mobi-Format. Ein zwangsläufiger Schritt, nachdem Amazon das hinter dem Format stehende Unternehmen gekauft hatte. Kommerzielle Bücher in diesem Format sind allerdings ebenfalls mit einem Kopierschutz versehen und lassen sich damit nicht für den Oyo konvertieren. Oyo und Kindle verstehen sich auch auf die Darstellung des PDF-Formats. Es bildet bekanntermaßen das ursprüngliche Layout eines Dokuments vollständig ab, was aber gerade auf den kleinen Displays der Reader wenig Spaß macht. Die Geräte verfügen zwar über eine Zoom-Funktion, so dass der Anwender sich interessante Passagen vergrößern kann. Flüssiges Lesen sieht allerdings anders aus.

ANGEBOT AN LESESTOFF

Der Einkauf neuer Lektüre soll für den Kunden möglichst einfach sein. Sowohl der Oyo als auch der Kindle verfügen über eine direkte Anbindung an das jeweilige Shop-System. Sehr komfortabel ist das Amazon gelungen. Da das Gerät mit dem Benutzerkonto beim Versender verknüpft ist, genügt nach der Auswahl des gewünschten Titels ein Knopfdruck. Wenige Augenblicke später wird das neue Buch an den Reader übertragen. Die Shopseiten für den Kindle sind für das Lesegerät optimiert und laden schnell. Wer den Shop mit dem PC besucht, kann ebenfalls mit wenigen Mausklicks E-Books an das Gerät senden. Nutzer des Oyo besuchen immer den Online-Shop von Thalia. Entweder auf dem PC oder in verkleinerter Darstellung mit dem integrierten Browser des Oyo. Ist die Zahlung erfolgt, werden die Bücher zum Download bereitgestellt. Eine automatische Übertragung erfolgt nicht. Damit hat der Kindle auch beim Komfort die Nase vorn. Das Angebot an E-Books ist inzwischen zumindest theoretisch größer, als sich in einem Leseleben bewältigen lässt. Ob es nun tatsächlich 30 000 oder gar 100 000 deutschsprachige Titel sind, spielt eher eine geringe Rolle. Zum Angebot der beiden Versender gehören auch zahlreiche kostenlose E-Books. Dabei handelt es sich um gemeinfreie Klassikerausgaben. Von Kafka über Fontane bis Wilhelm Raabe reicht die breite Palette bei Amazon. Die Auswahl von Thalia wirkt beliebiger und enthält überwiegend Stücke der Weltliteratur in englischer Sprache. Als eines der gewichtigsten Argumente für den Griff zum E-Book führen die Händler die Preisersparnis gegenüber gedruckten Werken an. Von bis zu 70 Prozent Nachlass ist dabei gern die Rede. Dieses Versprechen lässt sich nur selten einhalten und wenn, betrifft es in erster Linie englischsprachige Fachbücher. Hier ist die Ersparnis tatsächlich enorm. Realistisch beträgt der Preisnachlass gegenüber dem Verkaufspreis der gebundenen Ausgabe aber eher zwischen zehn und 20 Prozent.

DIE ZUKUNFT DES LESENS IST DIGITAL?

Die Inkompatibilität der Lesegeräte nervt und erinnert stark an den Kampf der Systeme bei der Einführung der Videokassette. Wenn E-Books tatsächlich einmal gedruckte Titel ablösen sollen, müssen zunächst diese Probleme gelöst werden. Denn so macht der Käufer immer wieder die Erfahrung, dass das gewünschte Buch gerade nicht für seine Plattform verfügbar ist. Im direkten Duell der beiden Systeme wirkt die Welt von Amazon geschlossener und durchdachter. Insbesondere in Sachen Bedienungskomfort weiß der Versender hier zu punkten. Der Oyo dagegen hinterlässt auch nach Wochen intensiver Nutzung einen eher zwiespältigen Eindruck, was insbesondere an der behäbigen Geschwindigkeit liegt. Für die entspannte Urlaubslektüre am Strand eignen sich aber beide Modelle.

Stephan Lamprecht

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false