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Bei „Günther Jauch“ hieß das Thema am Sonntag „Edward Snowden – Held oder Verräter?“

© imago

Edward-Snowden-Abend in der ARD: Jauch macht Quote mit Snowden

Die ARD konzentrierte sich am Sonntagabend komplett auf den NSA-Skandal. Bei „Günther Jauch“ wurde über „Edward Snowden – Held oder Verräter?“ diskutiert, doch viel interessanter als die vorhersehbare Talkrunde war das weltweit erste Fernsehinterview mit dem Whistleblower.

Sollten die bösen Menschen von der NSA den Talk im Berliner Gasometer mit einer Aufklärungsdrohne abgehört haben, dann werden sie an ihren obersten Geheimdienstchef, Präsident Barack Obama, melden müssen: Die Deutschen sind nicht unbedingt Verräter der gemeinsamen Sache, nein, sie wollen nur die Guten sein. Am liebsten Fußball- und Moral-Weltmeister. Das reicht ihnen. Und Günther Jauch, der reicht ihnen auch.

Das alles ist nur zu gerecht. Die Amis hören die Deutschen und ihre Kanzlerin ab, umgekehrt hört das ARD-Fernsehen Edward Snowden zu. Der hat die Praktiken der NSA enthüllt, zum Preis, dass der frühere Geheimdienstmitarbeiter jetzt in Moskau im Exil sitzt. Dort hat ihn der NDR-Journalist Hubert Seipel zum Interview treffen können. Sehr stolz ist das Erste Deutsche Fernsehen auf das weltweit erste Fernsehgespräch mit dem Whistleblower. Der journalistische Scoop wurde in den Nachrichten tüchtig ausgeschlachtet und am Sonntag zum Höhepunkt gebracht: Erst „Günther Jauch“ mit der Zuspitzung „Edward Snowden – Held oder Verräter?“, anschließend das komplette Interview. Oh ja, es gibt neben Dschungelcamp und Markus Lanz noch aufregenderes Fernsehen. 4,75 Millionen interessierten sich dafür, weitere 2,1 Millionen verfolgten anschließend das Gespräch. Eindrucksvolle Zahlen.

Edward Snowden ist gefährlich

John Kornblum, ehemals US-Botschafter in Deutschland, bildete die Verteidigungslinie. Ja, die NSA höre zu Recht ab, eine Begnadigung Snowdens lehnt er ab. Kornblum fand in bild.de-Chef Julian Reichelt einen eifrigen Sekundanten. Er fand das Vorgehen der US-Geheimdienste angemessen und erinnerte, nicht eben falsch, dass alle Länder Spionage betrieben. Reichelt neigte noch mehr als Ströbele - und das will was heißen - dazu, die übrigen Gäste zu korrigieren, auf die rechte Denkungsart hinzuweisen.

Auf der anderen Seite formierten sich Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, die frühere Piraten-Geschäftsführerin Marina Weisband und TV-Journalist Seipel. Ströbele schämte sich, dass einer wie Snowden in Russland Aysl beantragen müsse – weil er es in Deutschland nicht bekomme. Snowden-Interviewer Seipel war aufgefordert, den Whistleblower und seine Persönlichkeit auszudeuten. Das tat er mit gebotener Zurückhaltung, zugleich stellte er die Arbeit der US-Geheimdienste massiv in Frage. Marina Weisband war vor allem empört.

Sicher hat die Jauch-Redaktion versucht, auch einen Spitzenpolitiker in die Runde zu bekommen. Aber Edward Snowden ist gefährlich. Wer für den Ex-Geheimdienstmann ist, gerät schnell in den Ruf, das deutsch-amerikanische Verhältnis zu trüben, wer gegen ihn ist, gilt als NSA-Symphatisant. Da heißt es, hübsch zu Hause zu bleiben und Sudoku spielen.

Jauch wie ein Sprechautomat

Die Talkrunde war nicht fade, ungemein interessant war sie auch nicht. Interessant war und ist Snowden, in den Ausschnitten während des Talks und später im kompletten Interview. Ein junger Mann mit blassem Allerweltsgesicht, der mit den Praktiken und der Praxis seines Arbeitgebers nicht einverstanden war und darüber die Weltöffentlichkeit informierte. Seinen Aussagen zufolge wusste er genau, was er tat, und er scheute die vielleicht lebensgefährlichen Konsequenzen nicht. Sein Verrat ist keine Heldentat, doch eine bewundernswerte Gewissensentscheidung allemal. 

Moderator Günther Jauch begrenzte seine Funktion auf die des Wortzuteilers und zurückhaltenden Fragers. Täuschte der Eindruck, oder wollte er das Lanz-Debakel, der mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht auf die eigene Art und Unart politisch diskutieren wollte, um jeden Preis vermeiden? Ehrlich gesagt, hätte an diesem Abend statt Jauch auch ein Sprechautomat in der Talkrunde sitzen können, der die Fragen vorliest. Könnte sein, dass die Abstrafung des ZDF-Manns durch Petition und die schlechteste „Wetten, dass..?“-Quote ever die führenden TV-Arbeiter nachdenklich macht, wenn nicht einschüchtert. Die Liebe des Fernsehvolkes ist fragiler als gedacht. Günther Jauch also lebte das Motto: Wer wenig bis nichts macht, der macht auch wenig bis nichts falsch. Die NSA, so ist aus allergeheimsten Geheimdienstquellen zu hören, hat das Profil des ARD-Talkmasters gelöscht.

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