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Medien: „Ein fetter, runder, schöner Ton“ Max Bauer lässt Reifen quietschen und Schnee knirschen – er ist Geräuschemacher

Berlin, Café Einstein. In einer Ecke sitzt Max Bauer.

Berlin, Café Einstein. In einer Ecke sitzt Max Bauer. Die Beine übereinander geschlagen, starrt er in die Luft. Man könnte meinen, er langweilt sich, doch er lauscht: Wie der Boden der alten Villa unter den Füßen knarrt, wie der Kaffeeautomat zischt und Untertassen klirren. Max Bauer ist Geräuschemacher. Wenn er ausgeht, sucht er immer auch nach Inspirationen für neue Geräusche. „Man muss viel ausprobieren“, sagt er.

Seit zehn Jahren arbeitet er als Geräuschemacher zwischen München und Berlin, er vertont Filme, tritt beim Theater auf oder entwirft Hörspiele. Gelernt hat er den Beruf bei Mel Kutbay, einem der bekanntesten Geräuschemacher in Deutschland. Eine herkömmliche Ausbildung gibt es für dieses seltene Handwerk nicht. Er habe sich die Tricks abgeguckt, sagt Bauer, „wie ein Zauberlehrling“. Drei Jahre saß er im Studio einfach dabei, hat wie ein Schuster die verschiedenen Leder- und Sohlenmaterialien, die Konsistenzen der Klänge kennen lernen müssen.

Max Bauer hat die Geräusche für Filme wie „Bang Boom Bang“, „Pünktchen und Anton“ und „Sankt Pauli Nacht“ entworfen. Entwerfen ist das richtige Wort. Die Originaltöne reichen den anspruchsvollen Ohren der Filmfans nämlich nicht. Sagt der Experte. „Die Kombination von Bild und Ton wirkt trügerisch.“ Und das Ohr will betrogen werden. Bei „Bond“ muss es krachen – lauter, als in der Realität. „Wenn Pierce Brosnan auf der Kinoleinwand zum drei-Meter-fünfzig-großen Superhelden wird, dann müsse auch der Ton drei Meter fünfzig groß sein“, erklärt er. „Der Ton muss dicker werden, fetter, schöner, runder“. Die Autotür soll wummern – ob ihr das Autoblech selber den Klang leiht oder ein anderer noch so banaler Gegenstand, ist dem Filmfan egal. Außer den Texten der Schauspieler wird bei Filmproduktionen fast jedes Geräusch neu vertont. Denn für das ungeschulte Ohr klingen die nachproduzierten Klänge authentischer als die Originaltöne.

Max Bauer strahlt Ruhe aus, wenn er redet. Und man glaubt zu bemerkten, wie er wie mit einem Filter die Geräusche in seiner Umgebung zu selektieren versucht. Wahrscheinlich muss man als Geräuschemacher so sein. Nur mit seinen Händen und Füßen spielt er unentwegt. Aus seiner schwarzen Umhängetasche, die er zum Interview mitgebracht hat, zieht er einen Gegenstand nach dem anderen. Aus denen lässt er die unterschiedlichsten Geräusche entstehen. „Die sinnliche Erfahrung ist unglaublich wichtig, um mein Handwerk zu verstehen“, sagt Bauer, und hat Recht. Wer vermutet schon, dass aus Mondamin-Soßenbinder Schneegestapfe, aus einer Wasserstöpsel-Kette der Klang eines Fahrrads oder aus einer Telefonkarte die Geräusche für einen Cartoon entstehen können? Den Kaffeeautomaten, der eben noch im Hintergrund zu hören war, kann Bauer besser. Im Theaterstück „Die Geschichte von Herrn Sommer“ von Patrick Süskind macht er ihn nach, derzeit tritt der Geräuschemacher darin live auf der Bühne der „Schauburg“ in München auf. Ein Blechtopf mit Münzen und einen Eisenkamm braucht er dafür. „Ohne Liebe zum Klang“, sagt er, „geht’s nicht“.

Wenn der gebürtige Ebersberger von Liebe spricht, ist das durchaus ernst gemeint. Fast sein ganzes Leben hat er den Tönen gewidmet. Bevor er Assistent im Soundstudio Meloton wurde, studierte er Percussion und absolvierte eine Tontechnikerausbildung. Rhythmusgefühl und selektives Hören sind wichtig in seinem Beruf.

Gerade hat er den Fernsehmehrteiler „Friedrich Freiherr von der Trenck“ – mit Ben Becker in der Hauptrolle – mit vertont. In diesem Jahr hat er so gut verdient wie noch nie – und das, obwohl die Aufträge der Filmbranche allgemein rückläufig sind. Er bekommt eine Tagesgage. Durchschnittlich drei Tage hat er Zeit, einen 90-minütigen Film zu vertonen, für besonders aufwändige Produktionen auch schon mal sieben Tage. Zehn Minuten Film pro Tag sind realistisch. „Eine Geräuschkulisse wie bei ,Braveheart’ kann man nicht in drei Tagen schaffen“, erklärt er, der die Filme oft im Studio zum ersten Mal sieht. Bauer verwendet keine Archivtöne. Jeder Klang wird zunächst von ihm produziert und danach von einem Tontechniker am Computer bearbeitet. Warum? Bauer ist schneller als ein Archiv. Innerhalb von Sekunden hat er den richtigen Gegenstand zum richtigen Geräusch in der Hand.

Aber Bauer hat noch ein anderes Leben, noch eine andere Wohnung: „In Berlin bin ich Geräuscheforscher, Geräuschekomponist oder Geräuscheerfinder, in München bin ich Handwerker für Filmproduktionen.“ Auch in Österreich arbeitet er viel. Da gibt es keine Geräuschemacher. Überhaupt gibt es nur sehr wenige. Bauer kennt zwei Studios in München und eines in Hamburg. Mehr nicht. Viele seiner Kollegen arbeiten zusätzlich noch als Tontechniker.

Dass der Beruf des Geräuschemachers „in dieser supermodernen Filmwelt noch wie vor hundert Jahren“ funktioniert, findet er witzig. Klar, die Mikrofone sind besser geworden, die Materialien klingen ein bisschen anders. Aber sonst hat sich nicht viel verändert.

Eva Köster

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