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Medien: Ein Foto von Steffis Baby ist ein bis zwei Euro wert

Kai Diekmann (37) ist Chef der "Bild"-Zeitung, Peter Würtenberger (34) ist Chef von Bild.de Der Start von Bild.

Kai Diekmann (37) ist Chef der "Bild"-Zeitung, Peter Würtenberger (34) ist Chef von Bild.de Der Start von Bild.de wurde immer wieder verschoben. Es gab technische und personelle Probleme. Im Frühjahr kam es zur Allianz mit T-Online. Einen Monat, nachdem die Spitze von Bild.de mit Ex-Yahoo-Chef Würtenberger neu besetzt worden war, startete Bild.de im August in einer abgespeckten Version, begleitet von einer wöchentlichen Beilage in der "Bild"-Zeitung.

Herr Diekmann, Herr Würtenberger, Sie sitzen hier so einträchtig nebeneinander. Wie nah sind sich denn Ihre beiden Medien, die "Bild"-Zeitung und Bild.de?

DIEKMANN: Seit dem Amtsantritt von Peter Würtenberger bei Bild.de ist die Kooperation zwischen Print und Online auf dem allerbesten Weg. Ein eigenes Online-Ressort, das intergraler Bestandteil der "Bild"-Redaktion ist, steuert in enger Abstimmung zwischen "Bild"-Chefredaktion und der Führung von Bild.de die journalistischen Inhalte in unserem Online-Angebot.

Wie wichtig sind zentrale Entscheidungen?

DIEKMANN: Wichtig ist, dass wir uns abstimmen und dann gemeinsam entscheiden. Und das tun wir täglich.

Was heißt denn bei Bild.de zentral, bei zwei Standorten in Hamburg und Berlin?

WÜRTENBERGER: Es gibt keine zwei Standorte von Bild.de. Der Standort von Bild.de ist Berlin, der Standort von "Bild" ist Hamburg, und "Bild" liefert die News, die maximal 20 Prozent vom Internet-Portal ausmachen. Das ist wie bei einem TV-Sender, der einen Auftrag an eine Produktionsfirma liefert. Und der Sender entscheidet über die Ausstrahlung.

Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen Print und Online genau vorstellen?

DIEKMANN: Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Die "Bild"-Zeitung hat ihre Leserinnen aufgerufen, an der Wahl zur "Miss Germany" teilzunehmen. Die "Bild"-Kandidatin wird bei der Endausscheidung mit ins Rennen gehen. Wenn "Bild" einen solchen Aufruf macht, kommen sicherlich tausend Bewerbungen zusammen. In der Zeitung kann ich davon maximal 30 bis 40 Kandidatinnen vorstellen. Online können wir alle Mädchen präsentieren und zum Beispiel die User über ihre Lieblingskandidatin abstimmen lassen.

WÜRTENBERGER: Unsere Aufgabe ist es, die Online-Welt ins Spiel zu bringen. Das heißt, die Interaktivität des Mediums spielen zu lassen. Über Bilder-Galerien, multimediale Anwendungen wie Video-Streams, Chats, die wir in Zukunft einführen, interaktive Gewinnspiele, aber auch über E-Commerce-Plattformen. Also all das, was das Internet vom Printmedium unterscheidet.

Wollen Sie eBay Konkurrenz machen?

WÜRTENBERGER: Mit Sicherheit nicht, aber bei einzelnen Projekten kann man sicherlich auch eine Auktion fahren. Wichtig ist nur: "Bild" muss alles aus einer Hand liefern können, nicht nur journalistisch, sondern auch in der Interaktion auf einem so neuen Medium, wie es das Internet für diese Zielgruppe noch immer ist. Wir wollen schließlich Leser der "Bild"-Zeitung zu künftigen Nutzern und Kunden der Bild.de AG machen.

Das Ziel bleibt die Bild.T-Online AG?

WÜRTENBERGER: Selbstverständlich. Der Vertrag ist unterschrieben. Der nächste Schritt ist die Kartellamtszustimmung. Erst dann können wir offiziell als Bild.T-Online.de auftreten und unsere Sites verlinken. Wie groß das Potenzial ist, sieht man auch an den Erfolgen der letzten Wochen und Monate. Die enge Zusammenarbeit mit "Bild" hat bewirkt, obwohl T-Online noch nicht dabei ist, dass die Page-Impressions von 46 Millionen im Juli auf über 90 Millionen im letzten Monat gestiegen sind, eine Verdoppelung innerhalb von drei Monaten.

Es profitiert also jeder von Ihnen vom anderen gleichermaßen?

WÜRTENBERGER: Bild.de nutzt "Bild" in zwei Richtungen: Bei uns können exklusive Themen von "Bild" angeteast werden. Zum anderen sind 60 Prozent der Bild.de-Nutzer keine "Bild"-Zeitungsleser, und 70 Prozent der Bild.de-Nutzer sind unter 40 Jahren alt.

DIEKMANN: Zu einer modernen und erfolgreichen Zeitung, die auch junge Leser ansprechen will, gehört ein ansprechender Online-Auftritt. Zu einer Zeitung wie "Bild" gehört ein ganz besonderer Auftritt, der sich wesentlich von vergleichbaren Angeboten im Netz unterscheiden muss.

Warum war das so eine schwere Geburt?

DIEKMANN: Von schwerer Geburt kann keine Rede sein. Wir haben uns seit Anfang des Jahres zunächst um die schwächelnde Auflage von "Bild" gekümmert. Wir haben die Trendwende geschafft: In den drei Quartalen ist die Auflage signifikant gestiegen - gegen die Marktentwicklung und trotz der Preiserhöhung. Jetzt gilt es, diesen Erfolg auch für Bild.de anzustreben. Mit anderen Worten: Der Erfolg von "Bild" ist für mich kein vollständiger Erfolg, wenn davon nicht auch Bild.de profitiert.

War da nicht auch eine gewisse Spannung zwischen Ihnen, Herr Diekmann, und dem Bild.de-Inhaltechef Udo Röbel?

DIEKMANN: Was für mich zählt, ist der Erfolg in der Sache. Den sehe ich in der Zusammenarbeit mit Peter Würtenberger gewährleistet. Wir haben unsere gemeinsamen Planungen auf eine vernünftige Grundlage gestellt und die notwendigen Strukturen geschaffen.

Herr Würtenberger, Sie haben immer gesagt, mit dem Angebot soll Geld verdient werden. Besteht nicht vielmehr Anlass zur Sorge, dass da noch mehr Geld verbrennt?

WÜRTENBERGER: Ich bin ein kostenbewusster Manager. Bei Yahoo habe ich ein sehr profitables Business aufgebaut, das will ich hier auch machen. Die ersten Anzeichen fürs vierte Quartal sind sehr positiv, die Umsätze haben sich gegenüber den Vorquartalen um mehrere hundert Prozent erhöht.

Wie sieht das Business-Modell aus?

WÜRTENBERGER: Unser zukünftiges Business-Modell werden wir auf drei Säulen legen: Erstens Online-Werbung und E-Commerce. Zweitens Cross-Media - da spielt die Sonnabend-Beilage in der "Bild"-Zeitung eine Rolle -, in Zukunft aber auch Streaming-Media und Mobile-Advertising für Vermarktungspartner, die nicht mehr nur singulär Werbung buchen wollen, sondern ein Gesamtkonzept suchen. Drittens, und das ist der interessanteste Bereich, die Endabrechnung beim Nutzer. Diese Umsonst-Mentalität, die wir jahrelang im Internet gefeiert haben, wird sich Stück für Stück verabschieden. Anfangs wird die erste Säule dominieren und ungefähr 70 Prozent ausmachen, später - in ungefähr drei Jahren - soll auf jeden Bereich ein Drittel entfallen.

Wäre es nicht sinnvoller gewesen, wenn von diesen Erfolgen bereits Bild.T-Online.de profitieren würde?

WÜRTENBERGER: Es war schon sinnvoll, die Beilage jetzt an den Markt zu bringen, um zu testen und dann, wenn T-Online als Partner dazu kommt, weitere Produkte zu platzieren.

DIEKMANN: Wenn im Internet Geld verdient werden kann, dann muss Bild.T-Online.de dies leisten. Wenn das nicht aufgeht, ist das eine schlechte Nachricht für die gesamte Branche.

Der Markt wartet also auf Bild.T-Online.de?

WÜRTENBERGER: Zumindest warten diese sieben Millionen potenziellen Nutzer auf uns, die heute noch keinen Internet-Zugang haben.

Ihre Vision ist, dass man für Inhalte Geld verlangen kann. Gilt das immer noch?

WÜRTENBERGER: Immer mehr Umsonst-Anbieter verschwinden aus dem Netz. Gleichzeitig kommen zahlungspflichtige Angebote wie Playboy.de - die sehr gut laufen - hinzu. Ein Beispiel: Das neue Moorhuhn-Spiel wurde innerhalb von einer Woche 2,5 Millionen Mal herunter geladen. Wenn Sie auch nur einen Euro pro Download verlangt hätten, hätten Sie ein großes Erlöspotenzial realisieren können, weil wir das Moorhuhn-Spiel exklusiv hatten. Exklusivität ist bei zahlungspflichtigen Inhalten das entscheidende Stichwort. Für eine Meldung werden Sie kein Geld verlangen können, aber für das erste Foto von Steffis Baby oder wie Naddel gerade die SMS sendet, sehr wohl. Da kann man mindestens ein bis zwei Euro pro Download verlangen.

Gibt es so viel Exklusivität? Es gibt ja auch Spiegel, Playboy, Bunte und andere online, und zwar umsonst.

DIEKMANN: So ist es ja nicht. Exklusivität ist doch vor allem das Markenzeichen von "Bild". Denken Sie etwa an die weltexklusive Nachricht von der Geburt im Hause Graf/Agassi. Ich denke, dass wir hier auch mit dem Thema Bewegtbild noch eine Menge Chancen haben.

Wie viel ist denn der Nutzer bereit zu zahlen für solche exklusiven Inhalte?

WÜRTENBERGER: Die Untersuchungen sagen erstaunlicherweise, dass die Nutzer bereit sind, sehr viel mehr zu zahlen, als man gedacht hat. Das bewegt sich im 5- bis 10-Euro-Bereich pro Monat für wirklich exklusive, nutzbringende Themen.

Bis wann wird alles stehen?

WÜRTENBERGER: Stück für Stück. Wir werden nicht den Fehler machen, mit einem Big Bang zu starten. Wir haben eine Softlaunch gemacht, der unsere Erwartungen übertroffen hat. In diesem Sinne werden wir sukzessive weitere Produkte dazu nehmen. Bild.de wird der multimediale Massenmarktplatz werden.

Herr Diekmann[Sie sitzen], Herr Würtenberger[Sie sitzen]

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