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Medien: Ein jüdisches Panorama

Filmproduzent Janusch Kozminski bringt das erste Magazin über jüdisches Leben in Deutschland ins Fernsehen

Wenn Janusch Kozminski erzählt, mit welchen Worten der ARD-Vorsitzende Jobst Plog Anfang des Jahres seine Anfrage nach einem Programmplatz quittierte, gerät der Münchner Filmproduzent ganz schön in Wallung: Er könne es dem Gebührenzahler gegenüber nicht verantworten, so ein Minderheitenprogramm zu senden, habe Plog ihm geschrieben. „Zitieren sie mich hier bitte,“ sagt Kozminski mit Nachdruck, so dass man es als Journalist nicht wagen will, sich diesem Auftrag zu entziehen.

Und damit ist man auch schon mitten drin in der Geschichte über ein TV-Magazin, das sich das jüdische Leben in Deutschland zum Inhalt macht, und das es so noch nicht gegeben hat. Janusch Kozminski, 1949 in Schwandorf/Oberpfalz geborener Jude und seit den 80er Jahren als freier Produzent von über 60 Dokumentar- und Fernsehfilmen im Geschäft, ist gerade dabei, das zu ändern.

„Die jüdische Woche TV“ heißt sein Projekt, das schon bald, am 29. Dezember auf RTL und am 23. Januar auf Vox, mit zwei Pilotsendungen startet. Anschließend soll „Die jüdische Woche TV“ monatlich in einem überregionalen Programm laufen. Noch ist das nicht fix. Aber Kozminski gibt sich zuversichtlich: „Ich bin mit zwei großen Sendern in Verhandlungen. Die Chancen stehen gut.“

Kozminski neigt nicht zum großen Erzählen. Trifft man sich mit ihm zu einem Gespräch über das von ihm entworfene TV-Magazin, begnügt er sich mit kurzen knappen Sätzen, ohne dabei auch nur leicht ins Schwärmen zu geraten. Dafür vermittelt Kozminski umso deutlicher, um was es ihm inhaltlich geht: politischen, investigativen Journalismus aus jüdischem Blickwinkel – so lautet seine Programmansage.

Über einen Martin Hohmann beispielsweise und seine antisemitische Rede will Kozminski, wenn überhaupt, nur am Rande berichten. „So jemand schafft es auch ohne uns in die Massenmedien,“ sagt er und fügt hinzu: „Wir wollen weg von den Schuldzuweisungen, weg von der Opferrolle und so wenig Klischees wie möglich bedienen.“

Mit dem Handwerkszeug der klassischen Politmagazine wie „Panorama“ oder „Report“ will Kozminski über das jüdische Leben berichten: Ein Beitrag über koscheres Essen, Geschichten über jüdische Pop-Sänger wie Gil Ofarim oder Hila von Bro’sis sowie Schauspieler stehen auf der Themenliste. Ein Bericht über die Situation im Zentralrat der Juden nach Michel Friedmans Rücktritt findet genauso Platz wie eine Reportage über einen Polizei-Hauptkommissar in Bad Segeberg, der gleichzeitig Vorsitzender der örtlichen Jüdischen Gemeinde ist und im Berufsleben Kapitalverbrecher jagt.

Ob es mit den Pilotsendungen gleich in investigative Panorama-Tiefen gehen wird, könnte man also bezweifeln. Aber Kozminski ficht das nicht an. So ein Programm müsse sich entwickeln, das brauche seine Zeit. Und da hat er wohl recht. Vor allem ist es auch relativ egal, ob man es nun ein jüdisches Politmagazin oder einen jüdischen Kulturweltspiegel nennt. „Wir wollen zeigen, wie Juden in Deutschland leben, ihren Glauben pflegen und gleichzeitig ganz normale Bürger dieses Landes sind,“ sagt Kozminski.

Fast sechzig Jahre nach dem Holocaust ist die Jüdische Gemeinde in Deutschland die am schnellsten wachsende in Europa. Sie zählt inzwischen 120 000 Mitglieder. „Die jüdische Woche TV“ soll zeigen, warum das so ist. Denn das deutsch-jüdische Leben sei vielen nicht-jüdischen Deutschen weit gehend unbekannt, glaubt Kozminski. „Hier will ich etwas Neues machen.“

Ganz so neu ist das Thema für Kozminski freilich nicht. Eigentlich zieht es sich durch einen Großteil seiner Arbeiten. Vor drei Jahren produzierte er mit dem Regisseur Richard Chaim Schneider die preisgekrönte Fernseh-Dokumentation „Wir sind da! Juden in Deutschland nach 1945“. Darin erzählen die beiden in Form von Zeitzeugen-Interviews die Nachkriegsgeschichte der Juden in Deutschland.

Kozminski selbst hätte gut als Zeitzeuge in die eigene Dokumentation gepasst. Als Sohn polnischer Eltern, die sich nach ihrer Gefangenschaft in Bergen-Belsen und Auschwitz bis ins Nachkriegs-Deutschland retten konnten, wurden Holocaust und Nationalsozialismus ein bestimmender Teil seiner Lebensgeschichte. Die Familie Kozminski wanderte dann Anfang der 70er Jahre nach Amerika aus. Sohn Janusch kam aber schon bald zurück. Wieder in Deutschland lernte er als Fahrer beim Film und als Regieassistent das Filmhandwerk. Und das recht erfolgreich. Heute hat der dreifache Familienvater seine eigene Produktionsgesellschaft in München.

Mit der warb Kozminski nun seit knapp zwei Jahren bei großen und kleinen Fernsehsendern für „Die jüdische Woche TV“. Er schrieb Abgeordnete im Bundestag und Europäischen Parlament, den Zentralrat der Juden und viele andere potenzielle Lobbyisten an, mit der Bitte, ihn zu unterstützen. Nach zahlreichen freundlichen und weniger freundlichen Absagen klappte es endlich in diesem Sommer. Kozminski fädelte eine Kooperation mit Alexander Kluges Produktionsgesellschaft DCTP und der AZ Media AG in Hannover ein. Beide TV-Anbieter senden unter anderem als „unabhängige Dritte“ im Programm von RTL, Vox oder Sat 1. Innerhalb dieser Programmfenster geht „Die jüdische Woche TV“ nun auf Sendung.

Dabei wirkt eine ganze Reihe prominenter Autoren und Journalisten mit, die Kozminski wohl nicht ganz ohne Stolz sehr weit vorne in seinem Pressetext aufgelistet hat. An den Pilotsendungen arbeiten unter anderem die Autoren Tilman Spengler, Joseph von Westfalen, Maxim Biller und Rafael Seligmann mit. Aber auch der Regisseur Dominik Graf, der ehemalige Berliner CDU-Chef Christoph Stölzl oder der Historiker Michael Wolffsohn sind im Team vertreten.

Weder finanziell noch ideell an „Die jüdische Woche TV“ beteiligen wird sich indes der Zentralrat der Juden. Anders als bei der Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ etwa, denn die gehört dem Zentralrat. Doch im Fernsehgeschäft hat die offizielle Vertretung der Juden in Deutschland keine Ambitionen. Was Kozminski nicht gerade erfreut zur Kenntnis genommen hat: „Ich habe den Vorstand mehrmals eingeladen, sich in irgendeiner Form zu beteiligen, aber nur die totale Verweigerung geerntet.“ Im Leo-Baeck-Haus, dem Sitz des Zentralrats in Berlin, kommentiert man Kozminskis Ansinnen indes nüchtern. Stephan J. Kramer, Geschäftsführer des Zentralrats, sagt: „Wir wünschen Herrn Kozminski alles Gute für sein Projekt.“ Als Körperschaft des Öffentlichen Rechts, so Kramer weiter, könne sich der Zentralrat bei einem kommerziellen Projekt jedoch nicht beteiligen. Aber auch hier hat Kozminski eine kurze und knappe Antwort parat: „Dann machen wir es eben ohne die.“

Die jüdische Woche TV: 29. Dezember um 25 Uhr 15 Uhr auf RTL und am 23 Januar 2004 um 0 Uhr 10 Uhr auf V ox.

Simon Feldmer

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