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Medien: Ein Mann für gewisse Frauen

Devid Striesow, Assistent von „Bella Block“ und Filmpartner von Nina Hoss

Devid Striesow muss kurz noch jemanden anrufen, eine Sekunde, bitte. Dann aber: „Gut! Los geht’s“, sagt er. Die erste Frage bitte! Es klingt wie: Packen wir’s an. Devid Striesow ist einer, der ackern kann, durcharbeiten, wegschaffen. Wenn man ihm das sagt, findet er das sehr witzig und macht alberne Schippbewegungen. „Das hätten wir wieder weggeschafft hier, ne?“ Dabei ist eine Rolle ja nichts, was man zügig herunterspielt. Trotzdem hat zeitweise kaum einer so viel gemacht wie Striesow im deutschen Kino, Fernsehen und Theater. Bei der Berlinale 2007 war er mit zwei Filmen vertreten, „Die Fälscher“ und „Yella“, wofür die Hauptdarstellerin Nina Hoss den Silbernen Bären bekam. Striesow erhielt die inoffizielle Auszeichnung „Gesicht des deutschen Films“ und später den Deutschen Filmpreis 2007. Er hatte in den beiden Vorjahren Rollen in zwölf verschiedenen Projekten. An die Drehtage hängte er oft noch Drehnächte. In diesem Sommer hat er in vier Städten gleichzeitig gedreht, vor allem Krimiserien. Hamburg, Berlin, Köln und Bremen. Sein Bruder fuhr ihn hin, Striesow hat kurz geschlafen, gespielt, währenddessen schlief der Bruder. Am Abend holte er ihn wieder vom Set ab. Sie fuhren in die nächste Stadt.

Im Vergleich zu diesem rastlosen Devid Striesow, der manchmal wirkt wie ein hyperaktives Kind auf Ritalin-Entzug, ist Jan Martensen ein sehr ruhiger Typ. Striesow gibt den Assistenten von Bella Block in der gleichnamigen ZDF-Reihe seit drei Jahren. In der heutigen Folge „Reise nach China“, einem düsteren Thriller über Menschenversuche im Medikamentengeschäft, verliebt sich Martensen in die still-schöne Schwester des Mordopfers. Obwohl sich die beiden langsam annähern, legt Martensen dieses Norddeutsch-Steife nie ganz ab. Dabei ist Blocks Assistent verschmitzt, verwegen, manchmal verschusselt, aber grundsätzlich ein ziemlich zurechnungsfähiger Mensch – und damit ganz anders als viele, die der 34-jährige Striesow sonst spielt.

Er war in „Das Herz ist ein dunkler Wald“, der kürzlich in die Kinos kam, ein Reihenhaus-Ehemann mit Doppel- oder Dreifachleben und einem ähnlichen Begattungszwang wie das stumpf vor sich hinrammelnde Karnickel am Anfang dieser „Bella Block“-Folge. In „Eden“ ist er ein elendiger Grobian gewesen, der trotzdem bemitleidenswert blieb, weil er so hilflos um seine Frau kämpfte. Er hat Nazis gespielt und einen Private-Equity-Abzocker, den die eigenen Gefühle überrumpeln. Devid Striesow hat das Gesicht für solche Gestalten, gewöhnlich und besonders zugleich.

Dass Jan Martensen mehr Platz in der Serie bekommt, weil Devid Striesow bekannter geworden ist, bestreitet er: „Er bleibt der Assistent. Es wird nie ,Bello Block‘ heißen.“ Dennoch sind seine Plotstränge in den vergangenen Folgen wesentlich dicker. Darauf, sagt er, komme es ihm aber überhaupt nicht an. Nebenrolle, Hauptrolle, alles nur Labels: „Eine ganz winzige Rolle kann prägnant sein, und eine große Hauptrolle, die einen ganzen Film trägt, kann sehr langweilig sein.“

Er möchte, dass seine Figuren immer intensiv sind, dass sie weiterleben in den Köpfen der Zuschauer, „wenn die Leinwand schwarz ist oder der Fernseher aus“. Es ist ihm oft gelungen. Sein Zugang zu den Rollen ist direkt. In Striesows Spiel gibt es außer dem norddeutschen Dialekt, der Stimme, der Statur – und eben dieser Ruhe – nur wenige Konstanten. Er ist fast jedes Mal ein völlig anderer gewesen. Häufig hat er mit Nina Hoss gespielt, die mochte er, genauso wie jetzt Jeanette Hain, die Affäre in der neuen „Bella Block“-Folge. „Beide sind sehr emotionale Schauspielerinnen. Das macht das Spiel interessanter, wenn jemand empfindsam ist, weiblich.“

Devid Striesow nennt sich selbst einen Wendegewinner. Ohne Wiedervereinigung wäre er wahrscheinlich in Rostock, wo er aufgewachsen ist, Goldschmied geworden. Sein Bruder, mit dem er in einer WG in Pankow wohnt und der wohl auch so etwas wie sein bester Freund ist, hat Tischler gelernt. Kurz nach der Wende allerdings machte Striesows Lehrbetrieb dicht. Er hat dann erst Musik studiert und anschließend Schauspiel. Mit seinem Bruder wird er bald im Fernsehen auftauchen. Sie spielen Geschwister. Der Bruder ist ja eigentlich gar kein Schauspieler. „Aber der Regisseur fand, dass das authentisch ist“, sagt Striesow. Außerdem ist er ja sowieso meistens dabei.

In ein paar Wochen nun kommt Devid Striesow mit seiner ersten Hauptrolle ins Fernsehen, ein Drama um einen Stasi-Offizier, der sich während eines Verhörs in eine Frau verliebt und sie trotzdem ins Gefängnis schickt. Nebenrolle, Hauptrolle, völlig egal, stellt er noch einmal fest. Und schaut, und lacht, und isst und trinkt.

„Bella Block: Reise nach China“, ZDF, um 20 Uhr 15

Johannes Gernert

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