zum Hauptinhalt
Die neue "Tatort"-Saison wird am 6. September mit einer Folge aus der Schweiz eröffnet.

© ARD Degeto

Eine deutsche Tradition: "Le Figaro" erklärt den "Tatort"

"Und die Bösen landen am Ende im Gefängnis", so erklärt der "Figaro" den deutschen "Tatort". Zum Glück irrt die französische Zeitung, denn im besten Fall durchbricht auch der "Tatort" solche Regeln.

Während die ARD am Sonntagabend alte „Tatort“-Folgen sendet, hat die Pariser Tageszeitung „Le Figaro“ jetzt versucht, den Franzosen das Geheimnis dieses Formats zu erklären. Wenn der Franzose an deutsches Fernsehen denkt, dann denkt der nämlich an „Derrick“ und an „Alarm für Cobra 11“ – eigentlich ist es also ein Wunder, dass sich Frankreich und Deutschland im Moment so gut verstehen. Der „Tatort“ aber, so versichert „Le Figaro“, sei ganz anders. Es gebe keinen klassischen Helden, sondern unterschiedliche Ermittlerteams um die föderale Struktur der Bundesrepublik abzubilden. Die einzelnen Folgen seien – jetzt kommt‘s! – „durchweg gut geschrieben, spannend, und die Bösen landen am Ende im Gefängnis.“ Und der Deutsche, der schaue sich den „Tatort“ gerne im Familienkreis an oder gehe zum Gucken gar in eine Kneipe, denn das Format sei, laut „Le Figaro“ eben „eine Art Tradition“.
Im Januar war der Regisseur und Schauspieler Sebastian Schipper zu Gast in der „Hörbar Rust“ auf Radio Eins. Damals hatte noch niemand seinen Film „Victoria“ gesehen, niemand wusste von der Wucht und der Kraft, die dieser deutsche Film auf die Leinwand zaubert. Schipper war den Hörern bekannt als der bürgerliche Sidekick von Wotan Wilke Möhrings Tatort-Kommissar – einige erinnerten sich vielleicht, dass Schipper vor 15 Jahren mal den Film „Absolute Giganten“ gedreht hatte, der zu jener Zeit einen Weg wies, wie deutsches Kino auch sein könnte. Den Weg ist nur leider niemand gegangen, jedenfalls redete Schipper in der Sendung von Bettina Rust ganz viel tolles Zeug, zum Beispiel erklärte er, warum er das Lied „Drunk in Love“ von Beyoncé so mag (weil es vollkommen geisteskrank sei). Und dann sagte Schipper, dass der „Tatort“ einen „Wetten, dass...?“-Moment bräuchte – und er meinte damit, dass man das Format zerstören müsse, um darauf etwas Neues, etwas Besseres, aufzubauen.

Die nächste Erstausstrahlung einer „Tatort“-Folge ist in drei Wochen, am 6. September ermitteln die Schweizer Kollegen. Am Sonntag darauf dann der zweite Fall der neuen Frankfurter Ermittler, deren Debüt im Mai auf Großes hoffen lässt. Dann versucht es mal wieder Devid Striesow und danach kommen mit Leitmayr und Batic zwei, die eigentlich noch nie enttäuscht haben. Und vielleicht ist das auch schon das Problem: Alles steht bereits fest – man ahnt, wann das Einschalten lohnt, und wann nicht. Ein Über-„Tatort“, wie jener mit Ulrich Tukur und Ulrich Matthes, ist immer noch die Ausnahme und nicht die Regel. Und nach vier grandiosen Fällen aus Dortmund, schwächelt das Team um Jörg Hartmann seit zwei Folgen, und man nur hoffen, dass der Drehbuchautor Jürgen Werner zur alten Stärke zurück findet und die Regie wieder Thomas Jauch übernimmt.
An einer Stelle übrigens irrt „Le Figaro“: Die Bösen landen nicht immer im Gefängnis. In einer der besten Folge („Borowski und der stille Gast“) ermittelte Axel Milberg gegen Lars Eidinger – und der Kommissar schnappte den Bösen, der in einem Krankenwagen seiner gerechten Strafe entgegenfuhr. Die Kamera folgte dem Krankenwagen, der Abspann lief bereits, und als der „Tatort“ eigentlich zu Ende war, da öffneten die Notärzte die Tür – und Eidinger war weg, verschwunden. Dieser Bruch mit den Gewohnheiten der Serie war bereits eine ziemliche Wucht – und im kommenden Jahr wird es dazu eine Fortsetzung geben, vier Jahre danach.
Und es ist dieses Sprengen der Ketten, der Verzicht auf die Konventionen, die Missachtung der Regeln, die einer Reihe wie dem „Tatort“ gut tun. Die nächste Folge mit Ulrich Tukur soll, so hört man, der komplette Irrsinn sein.

Zur Startseite